Machtkampf in Polen "Kristallklar ehrliche Menschen"
Polen steht vor einer Staatskrise: Nach der Verhaftung zweier verurteilter PiS-Politiker hat Präsident Duda die Behörden scharf kritisiert. Er werde für ihre Freilassung kämpfen. Der Machtkampf mit Regierungschef Tusk eskaliert.
Der Konflikt in Polen zwischen der abgewählten nationalkonservativen PiS-Regierung und der neuen Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk könnte sich zu einer ernsthaften Staatskrise ausweiten.
Nach der Verhaftung zweier rechtskräftig verurteilter PiS-Politiker im Präsidentenpalast meldete sich nun Präsident Andrzej Duda zu Wort. Er sei zutiefst schockiert über "den Eifer und die Brutalität, sowohl in juristischer, physischer und medialer Hinsicht", sagte Duda in Warschau. Er werde nicht eher ruhen, bis Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik wieder freigelassen würden. Beide seien "kristallklar ehrliche Menschen".
Duda, der aus der PiS stammt, hatte Kaminski und Wasik am Dienstag im Präsidentenpalast empfangen, als die Polizei sie ins Gefängnis bringen sollte. Nach mehreren Stunden in dem Amtssitz wurden die PiS-Politiker dort gefasst und sind seitdem im Gefängnis.
Zwei Jahre Haft wegen Amtsmissbrauchs
Kaminski und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und sollten ihre Strafe antreten.
Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda betonte nun erneut, nach seiner Auffassung sei die Begnadigung weiter gültig.
Machtkampf eskaliert
Der Fall veranschaulicht die Schwierigkeiten, auf die der neue Regierungschef Tusk mit seinen Bemühungen stößt, umstrittene Reformen der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) rückgängig zu machen. Die Europäische Union warf der damaligen Regierung unter anderem vor, die Unabhängigkeit der Justiz und damit die demokratische Gewaltenteilung auszuhebeln.
Die Regierung Tusk amtiert seit Mitte Dezember - und seitdem liefern sich die abgewählte nationalkonservative PiS und die proeuropäische neue Regierung einen Machtkampf, der zusehends eskaliert. Eine eigentlich für heute geplante Parlamentssitzung wurde wegen der chaotischen Lage auf kommende Woche verschoben.
"Sabotage der Verfassung"
Tusk drohte Duda und dem PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, sie würden wegen "Sabotage der Verfassung" zur Verantwortung gezogen. Zuvor hatte der sichtlich aufgewühlte Ministerpräsident klare Worte an Duda gerichtet: "Herr Präsident, mein inständiger Appell zum Wohle des polnischen Staates: Sie müssen dieses Spektakel beenden. Es wird uns in eine sehr gefährliche Situation führen." Die Handlungen zielten auf die Fundamente des Staates.
Tusk zitierte mit Blick auf das Verhalten des Präsidenten auch aus dem polnischen Strafgesetzbuch: "Wer ein Strafverfahren dadurch behindert oder vereitelt, dass er einem Straftäter hilft, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen, (...) wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
Bislang deutet allerdings wenig daraufhin, dass sich die politische Situation in dem EU- und NATO-Land beruhigt. Aus dem Gefängnis meldete sich einer der beiden Verurteilten PiS-Politiker zu Wort. Kaminski, einst Innenminister Polens, nannte sich selbst einen "politischen Gefangenen". Als solcher werde er in den Hungerstreik treten. Die stellvertretende Justizministerin der neuen Regierung, Maria Ejchart, reagierte umgehend und sagte, Kaminski sei kein politischer Gefangener. Duda kündigte an, er werde für die Freilassung Kaminskis kämpfen.