Urteil des EuGH Erste Kopie der Patientenakte ist kostenlos
Patienten haben einen Anspruch auf die kostenlose Einsicht in ihre Akten - auch ohne Angabe von Gründen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Vorausgegangen war ein Streit zwischen einer Zahnärztin und einem Patienten.
Das gibt es bei uns erst seit rund zehn Jahren: Patienten haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, Einblick in ihre Akte beim Arzt zu bekommen. Früher waren die Gerichte davon ausgegangen, bei der ärztlichen Dokumentation handele es sich nur um eine Gedächtnisstütze für die behandelnden Mediziner. Das gehe die Patienten nichts an.
Mittlerweile ist aber in Paragraph 630g des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt: Patienten können verlangen, selbst die Behandlungsunterlagen einzusehen und auch eine Kopie davon zu bekommen. Allerdings mussten sie bislang die Kosten für den Aufwand des Arztes erstatten.
Die erste Kopie kostet nichts mehr
Damit ist jetzt Schluss. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat als oberstes Gericht der EU festgelegt, dass die erste Kopie der Unterlagen kostenlos sein muss. Anlass für diese Entscheidung war ein Fall aus Deutschland.
Ein Mann aus Sachsen-Anhalt stritt sich mit seiner Zahnärztin über die Behandlung, wollte gegen sie vorgehen, weil sie ihn falsch behandelt habe. Deswegen verlangte er von ihr eine Kopie seiner Patientenakte. Sie forderte im Gegenzug, dass er die Kosten dafür übernimmt - was er aber ablehnte. Er war der Ansicht, einen Anspruch auf eine kostenlose Kopie der Akte gebe es ja nach dem Datenschutzrecht.
Das europäische Datenschutzrecht geht weit
Der Mann bekam heute Recht beim EuGH. Der entschied für die gesamte EU: Ja, die Forderung ist durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gedeckt. Patienten dürfen keine Kosten entstehen. Sie haben grundsätzlich ein Recht, eine Kopie ihrer medizinischen Akte zu bekommen.
Sie müssen das auch nicht begründen. Ob sie wissen möchten, welche Daten über sie gespeichert werden oder ob sie einen Behandlungsfehler vermuten, ist egal. Ärzte können sich nur weigern, wenn das Vorgehen der Patienten rechtsmissbräuchlich ist, wenn diese etwa wiederholt und exzessiv Einsicht verlangen.
Hoher Stellenwert von Patientenrechten
Die Europäischen Richterinnen und Richter stellen fest: Der Datenschutz soll ein "gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für natürliche Personen" gewährleisten. Selbst wenn das für Ärzte Zeit und Aufwand bedeutet - die wirtschaftlichen Interessen der Behandler müssten zurückstehen, damit das Auskunftsrecht der DSGVO praktisch wirksam ist. Wichtig sei auch, dass die Kopie vollständig sei, damit keine relevanten Daten ausgelassen oder falsch wiedergegeben werden.
Die Entscheidung aus Luxemburg wird sicher den Arbeitsalltag in den Arztpraxen verändern. Sie ist aber möglicherweise auch für andere Lebensbereiche wichtig: Der EuGH stellt klar, dass das Recht der Menschen, Auskunft über ihre Daten zu verlangen, einen sehr hohen Stellenwert hat - selbst wenn es nicht nur um die Korrektur von Daten oder den Datenschutz ganz allgemein geht, sondern wenn die Betroffenen ganz andere Gründe haben sollten, warum sie Einblick bekommen wollen.