Regierung unter Druck Gewalt gegen Frauen rüttelt Österreich auf
In Österreich sind innerhalb weniger Tage mehrere Morde und andere Gewalttaten an Frauen verübt worden. Opferschutzverbände sind entsetzt und fordern mehr Schutz. Nun will die Regierung nachbessern.
Österreich hat ein Problem. Deshalb stehen an einem kühlen Morgen in dieser Woche rund 50 Menschen in der Wiener Innenstadt und schreien. Sie schreien ihren Frust und ihre Wut heraus. Darüber, dass die Zahl der Frauenmorde in Österreich in den vergangenen zehn Jahren gestiegen ist. Darüber, dass in Österreich mehr Frauen pro Kopf ermordet werden als im EU-Schnitt. Und darüber, dass der Opferschutz nicht greift.
"Es wird gefühlsmäßig immer schlimmer. Und die Politik muss sich endlich wirklich etwas einfallen lassen. So wie jetzt kann es nicht weitergehen", sagt eine Frau, die zur Kundgebung gekommen ist. Es wirke einfach so, als wäre das Problem in der Politik nicht so präsent, wie es aber speziell für Frauen eben sei, meint eine andere. "Ich finde es sehr traurig, dass so eine Veranstaltung notwendig ist", sagt ein Teilnehmer.
"Gewalt wird als Kavaliersdelikt behandelt"
Sieben Frauen wurden in Österreich in diesem Jahr bereits ermordet. Sechs davon allein in den vergangenen Tagen. Neun Fälle von schwerer Gewalt zählten die Autonomen Frauenhäuser in den vergangenen acht Wochen. Zudem wurde in dieser Woche der Fall einer Zwölfjährigen bekannt, die von mehreren Jungen mehrfach vergewaltigt worden war.
Die jüngsten Fälle schwerster Gewalt gegen Frauen sind sehr unterschiedlich. Klaudia Frieben vom Frauenring Österreich sieht sie aber vor einem gesellschaftlichen Hintergrund: "Man hat das Gefühl, dass oft Gewalt gegen Frauen immer noch als Kavaliersdelikt behandelt wird. Oder zu wenig Priorität zugesprochen wird."
Frauenministerin setzt auf Vernetzung
Österreichs Innenminister Gerhard Karner verwies Anfang der Woche zunächst darauf, dass die Regierung bereits genug gegen Gewalt an Frauen tue. Frauenministerin Susanne Raab warnte davor, in politischen Aktionismus zu verfallen. Schließlich beriefen die zuständigen Ministerien dann doch noch einen Gewaltschutzgipfel ein.
"In allen Bundesländern, bundesweit, gibt es gute Strukturen", lautete die Erkenntnis von Ministerin Raab. Nun sei es wichtig, die gewachsenen Strukturen, die wertvoll seien, unter einem "gemeinsamen Dach" zu bündeln. Diese Maßnahme solle helfen, den Informationsfluss zu gewährleisten und Informationen miteinander teilen zu können.
"Die Frauen haben sich keine Hilfe geholt"
Opferschutzverbände sollen sich also mehr austauschen. Wie konkret, wann konkret - diese Fragen blieben offen. Künftige Verbesserungen im Opferschutz sollen jedenfalls auf der Basis von Daten vorgenommen werden. Laut dem Innenministerium ist eine Analysestelle beim Bundeskriminalamt im Aufbau. Die soll Fälle von Gewalttaten und Morden, die an Frauen verübt wurden, vergleichen.
Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren erhofft sich daraus eine wichtige Erkenntnis. Denn so gut die Opferschutzmaßnahmen in Österreich auf dem Papier sind: Viele Frauen nehmen sie nicht in Anspruch. "Wir wissen ja, dass bei den meisten Morden, die in den letzten Jahren passiert sind, die Frauen sich keine Hilfe geholt haben", erklärt Marina Sorgo, die Vorsitzende des Dachverbands.
Verbände sehen Verbesserungsbedarf
Der Dachverband fordert aber auch, die Täter mehr in den Blick zu nehmen. So erhalten Gefährder in Österreich nur ein Mal eine sogenannte Gewaltpräventionsberatung. Werden Gefährder erneut auffällig, gibt es keine erneute Ansprache durch die Polizei. Auch bei Betretungs- und Annäherungsverboten gibt es laut den Opferschutzverbänden Verbesserungsbedarf. Oft erfahren die Gefährder per Post und zu spät, wenn ein Verbot verlängert wurde.
Die Debatte ist in vollem Gang. In Österreichs Medien kocht die Diskussion über die hohe Zahl der Frauenmorde wieder hoch. Rechtspopulisten machen die Migration verantwortlich; linke Gruppierungen das Patriachat.
Klaudia Frieben, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, ist es vor allem leid, dass Gewalt gegen Frauen immer nur dann thematisiert wird, wenn wieder mal schlimme Gewalttaten bekannt werden. "Gewalt gegen Frauen ist eine der größten Krisen der Demokratie. Und die gilt es immer wieder laufend zu bekämpfen."