Russische Truppen in der Ukraine Kreml tauscht "General Armageddon" aus
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verläuft aus Sicht des Kremls keineswegs planmäßig. Nun tauscht Verteidigungsminister Schoigu erneut den Oberbefehlshaber für die russischen Truppen dort aus.
Nach nur wenigen Monaten Amtszeit hat Russland erneut seinen Oberbefehlshaber für den Krieg gegen die Ukraine ausgewechselt. Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Generalstabschef Waleri Gerassimow zum neuen Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine ernannt, so das Verteidigungsministerium in Moskau. Der bisherige Kommandeur Sergej Surowikin, der den Posten erst im vergangenen Oktober übernommen hatte, solle Gerassimows Stellvertreter werden. Schoigu ernannte zudem noch zwei weitere Stellvertreter.
Zur Begründung hieß es, damit solle die Effektivität des Militäreinsatzes in der Ukraine gesteigert werden. Dort sieht sich Russland in dem seit rund elf Monaten andauernden Krieg mit Rückschlägen konfrontiert. Surowikin wird von russischen Medien "General Armageddon" genannt wegen Berichten über ein rücksichtsloses Vorgehen in früheren Konflikten.
Umstrittener Rückzug aus Cherson
Er hatte Anfang November den Rückzug der russischen Streitkräfte aus der ukrainischen Stadt Cherson vorgeschlagen und organisiert, was einen schweren Rückschlag für den Kreml bedeutet hatte. Seitdem hat sich die Frontlinie größtenteils stabilisiert, außer in der Gegend um die Stadt Bachmut in der östlichen Region Donezk. Dort versuchen die russische Armee und die Söldnergruppe Wagner seit Monaten, die Stadt Bachmut zu erobern.
Surowikin und Gerassimow werden von russischen Militärbloggern scharf kritisiert angesichts der Rückschläge nach der Invasion, bei denen auf beiden Seiten Zehntausende Soldaten und unzählige ukrainische Zivilisten ums Leben gekommen sind. Sie zeigten sich in ersten Reaktionen auch von dem neuen Umbau an der Spitze unbeeindruckt. "Die Summe ändert sich nicht, nur weil man die Reihenfolge der Teile tauscht", schrieb der prominente Blogger Rybar auf Telegram. Surowikin werde zum Südenbock gemacht für eine Serie militärischer Fehler. Dazu gehöre der ukrainische Angriff auf eine Kaserne, bei dem zu Neujahr mindestens 89 russische Soldaten getötet worden waren.
"Nicht alles läuft nach Plan"
Der Militärexperte Rob Lee vom Foreign Policy Research Institut erklärte auf Twitter, das Verteidigungsministerium beanspruche mit dem Wechsel wieder die Kontrolle über die Kriegsführung. Es sei "sicherlich möglich, dass dahinter politische Gründe stehen". Surowikin sei als Ukraine-Kommandeur sehr mächtig geworden und dürfte an Verteidigungsminister Schoigu und Gerassimow vorbei mit Präsident Wladimir Putin konferiert haben.
Der Politologe Abbas Gallyamov verwies auf Telegram darauf, dass am Dienstag General Alexander Lapin zum neuen Chef der Landstreitkräfte ernannt worden sei. Man könne dieses Versetzen derselben Personen von einem Stuhl zum anderen interpretieren wie man wolle, schrieb Gallyamov, jedoch nicht als "alles läuft nach Plan".
Auch nach dem Personalwechsel hält die russische Führung offenbar an ihren Kriegszielen fest. Die vier annektierten Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sollten vollständig eingenommen werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Alle bisherigen Ziele bleiben auf der Tagesordnung."