Flüchtlinge in den Niederlanden Essen und Trinken auf nacktem Boden
In den Niederlanden sind die Flüchtlingslager überfüllt - ein Gericht bezeichnete die Zustände kürzlich als menschenunwürdig. Doch mehr Unterkünfte lösen nur einen Teil des Problems.
Die Wiese vor dem zentralen Flüchtlingslager der Niederlande in Ter Apel ist jetzt leer. Noch vor einigen Wochen machten andere Bilder Schlagzeilen. Menschen campierten hier wochenlang ohne Toiletten und Duschen. Sie aßen und schliefen zu Hunderten auf dem nackten Boden.
Im Sommer war die Lage durch den Zustrom außer Kontrolle geraten. Ein Baby starb an Austrocknung und es gab einen Anschlag. Nach diesen Vorfällen richtete die niederländische Armee eine Stunde weiter nördlich in Zoutecamp, in der Provinz Groningen, ein provisorisches Asylbewerberzentrum ein.
Nun warten die Flüchtlinge in den weißen Zelten auf den Entscheid über ihren Asylantrag. Zwischen 500 bis 700 Personen haben dort Platz und es gibt Duschen, Etagenbetten, Toiletten und Waschmaschinen.
Jeden Abend ein neues "Puzzle"
Jacqueline Engbers, die Sprecherin des zentralen Anmeldezentrums Ter Apel, sieht in der neuen Lage eine klare Verbesserung : “Klar freut mich, dass Menschen jetzt nicht mehr draußen schlafen müssen, das macht einen großen Unterschied. Aber die Umstände, unter denen sie jetzt leben, sind immer noch nicht optimal. Jeden Abend müssen wir erneut das Puzzle lösen, entscheiden, wo wir sie unterbringen. Dazu müssen wir auch immer noch die Turnhalle benutzen, und im Warteraum schlafen die Menschen auf Stühlen."
Und das kann manchmal einige Tage so bleiben. Denn Ter Apel läuft immer noch voll. Nicht nur, weil der Zustrom an Flüchtlingen steigt - die Prozeduren stocken. Ein Asylantrag dauert nicht mehr Wochen, er dauert jetzt Monate, manchmal sogar Jahre. Und bis entschieden wird, sitzen immer mehr Menschen in Warteräumen, in denen sie mit sich selbst und der Langeweile kämpfen.
So sah es noch im August in Ter Apel aus - ein Gericht fällte dazu ein harsches Urteil.
Nur noch wenig Platz für Willkommenskultur
Das Flüchtlingslager stammt aus den 1980er-Jahren. Mit seinem niederländischen Wohnkomplex, den Spiel- und Sportplätzen will es eigentlich eine offene Willkommenskultur vermitteln. Doch nun bleibt dafür nur noch wenig Raum.
Denn selbst wer einen positiven Asylbescheid bekommt, muss oft hier bleiben. Nur wenige niederländische Gemeinden sind bereit, neuen Wohnraum für Flüchtlinge zu Verfügung zu stellen. Das trifft oft unbegleitete Minderjährige, klagt Engbers. "Glücklicherweise wurden vergangene Woche neue Plätze geschaffen. Statt über 300 sind hier jetzt noch etwa 200 unbegleitete Minderjährige - aber die Not ist immer noch hoch, denn es kommen ja auch Neue an."
Zulässige Höchstzahl deutlich überschritten
Denn eigentlich dürfen im Anmeldezentrum Ter Apel maximal 55 unbegleitete Minderjährige verbleiben. Das hat vor kurzem ein niederländisches Gericht geurteilt. Die niederländische Flüchtlingsorganisation Vluchtelingenwerk Nederland hatte die Regierung verklagt.
Die Richter urteilten, dass die Zustände in dem Auffanglager weiter nicht den EU-Normen entsprechen und die Regierung die Zustände verbessern solle. Martijn van der Linden vom niederländischen Flüchtlingswerk betont, die Krise sei hausgemacht. "In den vergangenen Jahren haben die Niederlande Personal und Auffangplätze abgebaut, dies hat insbesondere dazu geführt, dass das System vollgelaufen ist."
Der Staatssekretär für Asylfragen ist gegen den Richterspruch in Berufung gegangen. Das Berufungsurteil wird für den 10. November erwartet.
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