Niederlande Bauern protestieren gegen Umweltauflagen
Die niederländische Regierung will die Stickstoffemissionen bis 2030 um 50 Prozent senken. Dagegen haben Tausende Bauern in Den Haag protestiert. Die geplanten Umweltauflagen könnten das Aus für viele Betriebe bedeuten.
In den Niederlanden sind Landwirte und Klimaschützer gegen die Politik der Regierung auf die Straße gegangen. Tausende Bauern versammelten sich in Den Haag, um gegen den Plan der Regierung, den Stickstoffausstoß drastisch zu verringern, zu protestieren. Die radikale Bauernorganisation "Farmers Defence Force" und Berufsverbände hatten zur "größten Demo aller Zeiten" aufgerufen.
Die Regierung hat angekündigt, die Stickstoffemissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Dies sei unvermeidbar, um die Qualität von Luft, Boden und Gewässern zu verbessern, betonten Kabinettsmitglieder, auch wenn dies bedeute, dass nicht alle Bauern ihren Beruf weiter ausüben könnten. Die geplante Reduzierung des Stickstoff-Ausstoßes könnte für viele Bauern im Land das Aus bedeuten.
Notverordnung wegen Ausschreitungen im Jahr 2022
Nachdem es im vergangenen Jahr bereits zu wochenlangen Ausschreitungen gekommen war, hatten die Behörden Trecker bei der Veranstaltung untersagt. Bei den Protesten waren unter anderem Autobahnen blockiert, Brände gelegt und Müll, Mist sowie Asbest auf den Straßen verteilt worden. Trotz des Verbots machten sich in mehreren Regionen Landwirte mit Treckern auf den Weg. Bei Alphen aan den Rijn im Nordwesten von Den Haag wurden am Vormittag zahlreiche Fahrzeuge gestoppt und von der Straße geholt, wie die Polizei mitteilte. Die Behörden erließen deshalb eine Notverordnung. Zugangsstraßen und wichtige Kreuzungen wurden mit Armeefahrzeugen blockiert.
Nach Angaben der Polizei durchbrach ein Schaufelbagger eine Absperrung, so dass trotz Verbots mehrere Lastwagen mit Demonstranten auf das Gelände der Kundgebung in Den Haag fahren konnten. Der Fahrer des Baggers wurde festgenommen.
Klimaaktivisten blockieren Hauptstraße
Zeitgleich demonstrierten ein paar Kilometer entfernt Klimaaktivisten gegen staatliche Unterstützung fossiler Energieträger. Radikale Klimaschützer von "Extinction Rebellion" kündigten zudem an, einen Autobahnzubringer zu blockieren. Ihnen gehen die Maßnahmen zum Klimaschutz nicht weit genug. Teilnehmer der Klimademonstration sollen laut Polizei eine Polizeikette durchbrochen haben, um eine Hauptstraße zu blockieren. Den Haags Bürgermeister Jan van Zanen gestattete der Polizei den Einsatz eines Wasserwerfers, um die Demonstranten zu vertreiben. Die Beamten kündigten an, wer die Straße nicht verlasse, werde festgenommen. Den Wasserwerfer setzte sie zunächst nicht ein.
Rechtspopulistische Parteien wollen die Großdemonstration ebenfalls nutzen, um zum Widerstand gegen die Regierung aufzurufen. Außerdem mobilisierte die Bewegung der früheren Corona-Gegner "Samen voor Nederland" (Gemeinsam für die Niederlande) ihre Anhänger.
Viele Landwirtschaftsbetriebe stehen wohl vor dem Aus
In den Niederlanden gibt es mehr als 50.000 landwirtschaftliche Betriebe. Die Agrarwirtschaft exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 122 Milliarden Euro ins Ausland. Ein Viertel davon ging nach Deutschland.
Die von der niederländischen Regierung angekündigten Auflagen zum Schutz der Naturgebiete besorgen die Landwirte. Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte will den Schadstoffausstoß bis 2030 drastisch reduzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Maßnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Höfe bedeuten, schätzt die Regierung. Die Eigentümer von rund 3000 Höfen, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten die Böden am meisten belasten, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen.
Landwirte fordern Zukunftsperspektive
Jahrelang wurden die Umweltbelastungen in den Niederlanden geduldet oder mit Ausnahmeregeln legalisiert, obwohl Grenzwerte überschritten wurden. Immer wieder wurden Schlupflöcher gefunden, um nur nicht die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Dass dies ein Fehler war, räumt inzwischen auch die Regierung ein. Das Urteil des höchsten Gerichts von 2019 hatte große Folgen: Alle Projekte, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden. Das heißt, der Bau von Wohnungen und Straßen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr.
"Der große Umbau der Landwirtschaft ist unvermeidlich", sagte Umweltministerin Christianne van der Wal. Grund dafür sei nicht nur der Naturschutz, sondern auch der Klimawandel. Die Bauern aber fordern eine Zukunftsperspektive, und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Außerdem zweifeln sie die Notwendigkeit der Maßnahmen an.
Wahl der Provinzparlamente am 15. März
Das Stickstoff-Thema beherrscht auch den derzeitigen Wahlkampf. Am 15. März wählen die Niederländer ihre Provinzparlamente, und sie bestimmen dann auch die Zusammensetzung der Ersten Kammer des Parlaments - vergleichbar dem Bundesrat.
Nach Umfragen steht ein deutlicher Rechtsruck bevor, mit der Protestpartei Bauer-Bürger-Bewegung als großem Sieger. Der Koalition aber droht eine riesige Schlappe, und sie kann dann womöglich ihre Pläne nicht länger durchsetzen.