Bauern in den Niederlanden Protest mit Heuballen, Mist und Gülle
Brennende Heuballen, Straßensperren aus Mist, Gülle vor dem Haus der Umweltministerin: In den Niederlanden eskaliert der Protest von Landwirten. Ihre Wut richtet sich gegen neue Auflagen zur Stickstoff-Reduzierung.
Es begann friedlich - mit einer großen Demonstration Mitte der vergangenen Woche im landwirtschaftlich geprägten Gelderland. Doch in den Tagen danach sind die Protestaktionen niederländischer Bauern eskaliert. Erst Autobahnblockaden durch Dutzende Traktoren, dann brennende Heuballen am Fahrbahnrand, Straßensperren aus stinkendem Mist und gefährliche Trecker-Manöver in der Den Haager Innenstadt. Damit nicht genug: Gestern Abend zog ein wütender Mob vor das Haus der Umweltministerin Christianne van der Wal.
Eine neue Dimension der Proteste sei das, sagt Polizeichef Willem Woelders: "Was wir in den vergangenen zwei Tagen gesehen haben, ist, dass die Aktionen nicht mehr organisiert sind. Bauernorganisationen sagen: 'Alles kann passieren, aber dafür sind wir nicht verantwortlich'." Die Polizei könne dann nur auf das reagieren, was sie vorfinde.
Viele Bauern demonstrieren friedlich - wie diese Männer mit ihren Rindern vor dem Parlament in Den Haag.
"So etwas macht man nicht"
Vor der Wohnung der Ministerin durchbrachen die überwiegend jungen Bauern eine Polizeiabsperrung. Sie demolierten Einsatzfahrzeuge und hinterließen Heuballen und ein Güllefass.
Die Politikerin selbst sei nicht zu Hause gewesen, aber ihre Familie, erklärte Premier Mark Rutte am Rande des NATO-Gipfels in Madrid. Die Demonstranten hätten eindeutig eine Grenze überschritten:
Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Bauern sich bemühen, anständig zu demonstrieren, dass sie auch das Gespräch suchen, wie wir mit der Stickstoffproblematik umgehen. Aber du blockierst keine Straßen, ziehst nicht vor das Haus von Ministerinnen, entzündest keine Feuerwerkskörper und fährst keine Gülle aus oder versetzt Kinder und Familien in Angst. So etwas macht man nicht.
Bauern sehen sich benachteiligt
Nach einem höchstrichterlichen Urteil muss die niederländische Regierung den Stickstoff-Ausstoß deutlich reduzieren, in manchen besonders schützenswerten Naturgebieten sogar um bis zu 70 Prozent. Gerade in solchen Regionen fühlen sich die Bauern unter Druck gesetzt. Ihnen bleibe nur die Wahl, auf Öko-Landbau umzustellen, mit dem Hof umzuziehen oder den Betrieb komplett aufzugeben, sagt Caroline van der Plas, die mit ihrer "Boer Burger Beweging" die Landwirte im Parlament vertritt.
"Wir stehen kurz davor, dass in den Niederlanden der gesamte Agrarsektor so gut wie weggefegt wird aus diesem Land", befürchtet sie. "Und das hat natürlich auch Folgen für die Bürger." Van der Plas zeigt Verständnis für den Unmut der Landwirte, aber nicht für die ausufernden Proteste.
Parlamentsmehrheit für Reformen
Hinter diesen Aktionen stehen Gruppierungen, die sich "Farmers Defence Force" oder "Agractie" nennen. Bart Kemp, einer dieser Agraraktivisten, hat erst vor wenigen Tagen in einer Videobotschaft an die Ministerin vor einer weiteren Eskalation gewarnt.
"Machen Sie einen Rückzieher von diesen desaströsen Plänen, reden Sie mit uns über eine fundamental andere Politik, setzen Sie den eingeschlagenen Weg nicht fort", sagt er darin. "Lassen Sie die friedlichen Bauern-Aktionen nicht in einen Bauernaufstand eskalieren."
Das Parlament trägt die Agrarpolitik der Regierung mit. Eine deutliche Mehrheit ist für die Maßnahmen, die den Stickstoffausstoß reduzieren sollen - auch wenn dadurch viele Viehhalter gezwungen werden, ihre Betriebe aufzugeben. Laut Kabinett könnte davon ein Drittel der Höfe im Land betroffen sein. Ein Ende der Proteste ist daher erst mal nicht in Sicht.