NATO-Außenministertreffen Die eine heikle Frage
Es ist die zentrale Frage des NATO-Außenministertreffens in Prag: Darf die Ukraine mit westlichen Waffen russische Ziele angreifen? Die Diskussion setzt vor allem die USA unter Druck, sich zu positionieren. Von dort kommen gemischte Signale.
Wie weit kann die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gehen? Oder genauer gefragt: Darf Kiew mit westlichen Waffen gegen Raketenwerfer, Munitionsdepots und Truppen auch auf russischem Territorium zurückschlagen? Das ist die zentrale Frage vor dem informellen NATO-Außenministertreffen in Prag.
Diese Frage jedoch müssen die NATO-Mitglieder für sich selbst beantworten, hatte Generalsekretär Jens Stoltenberg diese Woche erklärt. "Das sind nationale Entscheidungen, keine NATO-Entscheidung", so Stoltenberg. "Einige Mitglieder haben keine Beschränkungen beim Gebrauch ihrer Waffen formuliert, andere schon. Ich glaube aber, es ist an der Zeit diese Beschränkungen zu überdenken, im Lichte des aktuellen Kriegsgeschehens, das sich immer mehr entlang der Grenze abspielt."
Vor allem in der grenznahen Stadt Charkiw hat die Ukraine zunehmend Probleme, sich selbst zu verteidigen. Hier könnte der Einsatz gegen russische Waffen, die direkt hinter der Grenze abgefeuert werden, hilfreich sein. Frankreich, Polen und die baltischen Staaten zeigen sich den Überlegungen gegenüber offen. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich in dieser Frage zurückhaltend und betonte, er wolle verhindern, dass es zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO komme.
Druck vor allem auf die USA
Die Diskussion setzt vor allem die USA unter Druck, sich zu positionieren, denn sie bleiben unentschlossen. US-NATO-Botschafterin Julianne Smith sagte, dass sich an der Politik Washingtons, amerikanische Waffen nur auf ukrainischem Boden einzusetzen, noch nichts geändert habe. Heute jedoch erklärte US-Außenminister Antony Blinken vor Journalisten, dass man die Unterstützung der Ukraine immer wieder an veränderte Bedingungen angepasst habe.
Das Treffen der Außenminister in Prag ist das letzte vor dem Jubiläumsgipfel der NATO im Juli, zu dem die Staaten der Ukraine auch ein weiteres Hilfspaket in Aussicht stellen. Unklar ist noch, mit wie vielen Luftabwehrsystemen und anderen Waffen Kiew rechnen kann. Die 32 Mitglieder der Allianz überlegen außerdem, wie sie die Militärhilfe für die Ukraine dauerhaft absichern können.
Ukrainehilfe sichern - auch im Falle eines Trump-Sieges
Man versuche die bilaterale Hilfe stärker zu institutionalisieren und sie stärker in die NATO zu integrieren, um die Kräfte noch mehr zu bündeln, erklärte US-NATO-Botschafterin Smith. Ein solcher Schritt könnte die militärische Unterstützung auch für den Fall absichern, dass Donald Trump erneut US-Präsident wird und die Ukrainehilfe in Frage stellt.
Ebenso auf dem Tisch liegt der Stoltenbergs Vorschlag, einen mehrjährigen Finanzrahmen von 100 Milliarden Euro aufzustellen, um dafür zu sorgen, dass der Waffennachschub an die Ukraine gesichert wird.
Nachfolge Stoltenbergs
Zum NATO-Gipfel im Juli soll auch die Nachfolge von Generalsekretär Stoltenberg geregelt sein, dessen mehrfach verlängerte Amtszeit Anfang Oktober endet. Smith erklärte, dass der scheidende niederländische Ministerpräsident Mark Rutte großen Rückhalt unter den NATO-Mitgliedern genieße - doch noch seien nicht alle von dessen Kandidatur überzeugt.
Überzeugt werden müssen noch die Slowakei und Ungarn, die Rutte bislang nicht unterstützen. Auch steht Rumänien weiterhin hinter seinem Kandidaten für das Amt, Präsident Johannis.