Nationalfeiertag in Frankreich Präsident unter Zugzwang
Zum 14. Juli wollte Frankreichs Präsident Macron eigentlich die Zeiten der Rentenproteste hinter sich lassen. Doch nach mehreren Krawallnächten steckt das Land wieder in einer Krise. Der politische Druck wächst.
Schöner hätten es sich Präsident Macron und seine Regierung nicht wünschen können. Blauer Himmel, eine reibungslose Militärparade, eine würdevolle Zeremonie. Verteidigungsminister Sebastien Lecornu beschwor nach dem Defilee auf den Champs Elysées die so arg gebeutelte Einheit des Landes. "Gegen diese furchtbaren Bilder aus Frankreich, die die ganze Nation und einen Teil der Welt schockiert haben, haben wir heute das wahre Bild Frankreichs gesetzt", erklärte Lecornu.
Die Armee sei der Ort, wo gesellschaftliche Spaltung überwunden werden könne. "Man muss sich nur die jungen Soldaten anschauen, die hier heute mitgelaufen sind, um zu verstehen, wo diese jungen Menschen herkommen. In der Armee funktioniert der soziale Aufstieg. Hier geht es um Verdienst, um die Wertschätzung des Engagements eines jeden einzelnen. Die Streitkräfte sind also Teil der Lösung und nicht des Problems."
Macron verzichtet auf seine Rede
Wie aber der gesellschaftliche Konflikt mit einer Jugend in den Banlieues, die sich einfach nicht zugehörig und geachtet fühlt, gelöst werden soll, ist offen. Der Präsident hat darauf verzichtet, eine Rede zu halten. Nachvollziehbar, findet Politikwissenschaftlerin Chloé Morin im Radiointerview bei France Info: "So eine Präsidentenrede soll ja in der Regel eine Periode abschließen. Aber wir wissen alle, dass es heute Nacht zu neuen Krawallen kommen kann. Wenn es so kommt, würden wir schon morgen nur noch über die Randale sprechen. Seine Rede würde also einfach weggefegt."
Deshalb also lieber abwarten. In den kommenden Tagen will Macron sich äußern. Was wird er sagen? Welche Richtung wird er einschlagen? Wird er noch weiter nach rechts driften, um den Rufen nach "Law and Order" gerecht zu werden? Wird er, wie es die Linke fordert, mehr in die Banlieues investieren? Oder wird er am Ende beides tun, gleichzeitig - "en même temps" - gemäß der Formel, die seit Beginn der ersten Amtszeit Macrons Markenzeichen ist.
Tauscht Macron die Premierministerin aus?
Lange wurde gemunkelt, dass der Präsident seine Regierungsmannschaft und allen voran Premierministerin Elisabeth Borne austauschen wolle. Politikwissenschaftlerin Morin hält das nicht für wahrscheinlich. "Laut Umfragen wollen 65 Prozent der Franzosen, dass Premierministerin Borne geht. Ich interpretiere das so, dass sich 65 Prozent eine andere Politik von Macron wünschen. Borne auszutauschen, würde also nur Sinn machen, wenn er eine politische Wende hinlegt."
Und danach sieht es nicht aus. Doch Macron muss etwas einfallen. Denn die tektonischen Platten der französischen Politik driften weiter nach rechts. Die konservativen Republikaner setzen den Präsidenten mit immer neuen, noch härteren Forderungen gegen Straftäter aus eingewanderten Familien unter Druck, überholen dabei fast den extrem rechten Rassemblement National.
Neue Krawalle sollen verhindert werden
Dessen Gallionsfigur Marine Le Pen kann sich derweil zurücklehnen, erklärt Mathieu Gallard vom Meinungsforschungsinstitut IPSOS. "Marine Le Pen ist relativ diskret geblieben. Sie hat andere im rechten Spektrum - etwa die Republikaner - sprechen lassen. Denn sie weiß, dass sie selbst als diejenige wahrgenommen wird, die zum Thema Sicherheit und Immigration am meisten zu sagen hat." Historisch betrachtet profitierte der Rassemblement National immer dann, wenn alle über Immigration reden - da brauche der Rassemblement National selbst gar nichts mehr zu sagen, so Gallard.
130.000 Polizisten sind dieses Wochenende im Einsatz, um neue Krawalle zu verhindern. Aber egal, wie die Nacht wird: Frankreich hat Federn gelassen und muss Antworten finden auf die Frage, was heute noch Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bedeuten. Prächtige Parade hin oder her.