Debatte über Kampfjet-Koalition Scholz sieht Deutschland nicht unter Zugzwang
Deutschland will beim Aufbau einer Kampfjet-Koalition keine Hauptrolle übernehmen. Kanzler Scholz erklärte, man konzentriere sich auf das, was man schon tue für die Ukraine. Koalitionspolitiker sprechen sich für logistische Hilfe aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in der Diskussion um die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine Deutschland nicht unter Zugzwang. "Im Hinblick auf uns sind keine Anforderungen da", sagte Scholz nach dem Gipfeltreffen des Europarats in Reykjavik.
Auf die Frage, ob Deutschland sich an einer geplanten internationalen Kampfjet-Koalition beteiligen werde, sagte der Bundeskanzler: "Die Frage ist nicht so aktuell, wie sie gestellt wird." Scholz sagte weiter, Deutschland konzentriere sich wie gehabt auf Panzer, Munition, die Etablierung "eines funktionierenden Systems für die Reparatur" und die Flugabwehr. Diese Dinge seien "sehr relevant" für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine. In diesen Bereichen habe Deutschland auch bereits weitere Zusagen gemacht.
Das Bundesverteidigungsministerium teilte mit, dass man dem niederländisch-britischen Vorstoß zur Bildung einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine positiv gegenüber stehe. Das Ministerium begrüße jede Initiative, die es der Ukraine leichter mache, ihre Verteidigung zu organisieren, sagte ein Sprecher in Berlin.
Die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge aus eigenen Beständen hatte die Regierung stets abgelehnt. Auch mit dem Hinweis darauf, dass sowohl der altersschwache Tornado als auch der Eurofighter nicht sehr geeignet seien, um die ukrainischen Bedürfnisse zu erfüllen.
Strack-Zimmermann: Deutschland "außen vor"
Politikerinnen und Politiker der Ampelkoalition halten im Fall der Lieferung westlicher Kampfjets logistische Unterstützung für sinnvoll. Deutschland habe die derzeit diskutierten Jets vom Typ F-16 nie besessen und sei deshalb bei einer möglichen Kampfjet-Koalition "außen vor", sagte FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann den Zeitungen der Funke Mediengruppe:
Deutschland könnte allerdings militärische Flughäfen für die Ausbildung an F-16-Kampfjets zur Verfügung stellen, die durch Piloten aus anderen Ländern durchgeführt wird.
Möglicherweise könne "auch die Logistik für die Wartung der Maschinen gestellt werden", fügte Strack-Zimmermann hinzu. Sie lobte die Überlegungen mehrerer Staaten für Kampfjet-Lieferungen an Kiew: "Was die Ukraine jetzt neben 'air defence' und Artillerie braucht, ist ein Kampfjet, der russische Flugzeuge bekämpfen kann, die in den ukrainischen Luftraum eindringen. Dafür ist die F-16 gemacht."
Der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter, begrüßte die Pläne ebenfalls. "Wir sollten prüfen, ob Deutschland hierzu einen logistischen Beitrag leisten kann", sagte der Grünen-Politiker den Funke-Zeitungen.
Müller: Eskalationspiralen vermeiden
Der SPD-Außenpolitiker Michael Müller lehnte die Lieferung westlicher Kampfjets an die Ukraine grundsätzlich ab. "Ich sehe das sehr kritisch", sagte er in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart". Die Jets seien "noch mal ganz andere Offensivwaffen". Er glaube, "die Frage der Kampfjets sehen viele sehr kritisch, denn wir müssen auch besonnen bleiben und sehen, dass wir weitere Eskalationsspiralen vermeiden", sagte Müller.
Lob von Selenskyj
Großbritannien und die Niederlande hatten am Dienstag ihre Pläne für eine "internationale Koalition" bekannt gegeben, welche die Ukraine mit Kampfflugzeugen beliefern soll. Demnach soll Kiew F-16-Kampfjets erhalten und bei der Ausbildung unterstützt werden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Bemühungen der beiden Länder. "Gestern haben wir in Großbritannien mit Rishi (Sunak), dem Premierminister, vereinbart, dass wir an einer Koalition von Kampfjets arbeiten - Ausbildung, Flugzeuge, Ergebnisse", berichtete Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache von den Ergebnissen seiner Europareise. "Ein guter Start für die Koalition", sagte er. "Danke Euch allen."
NATO-Partner schlossen Kampfjet-Lieferungen bislang aus
Bisher wollten die NATO-Staaten die Forderung Kiews nach modernen westlichen Kampfflugzeugen nicht erfüllen. Sunak und der niederländische Regierungschef Mark Rutte wollen sich nun aber dafür einsetzen, "eine internationale Koalition aufzubauen, um die Ukraine mit Kampfflugzeugkapazitäten auszustatten und sie bei allem zu unterstützen, von der Ausbildung bis zur Beschaffung von F-16-Jets", wie der Londoner Regierungssprecher erklärte. Sunak bekräftigte in Reykjavik demnach zudem seine Überzeugung, dass "der rechtmäßige Platz der Ukraine in der NATO" sei.
Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich zur Ausbildung ukrainischer Kampfjet-Piloten bereit, schloss eine Lieferung von Flugzeugen an Kiew aber aus.