Hohe Zahl Geflüchteter Lampedusa ruft den Notstand aus
Tausende Bootsmigranten kommen derzeit täglich auf Lampedusa an - am Dienstag mit mehr als 5000 Menschen so viele wie noch nie an einem Tag. Der Stadtrat rief den Notstand für die italienische Insel aus.
Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa hat der Stadtrat angesichts Tausender neu angekommener Bootsmigranten den Notstand ausgerufen. Das gab Bürgermeister Filippo Mannino bekannt, wie die Nachrichtenagentur Ansa meldete. Er forderte mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter "großem Stress" stehe.
Die Bürger Lampedusas seien verzweifelt, so Mannino. "Jeder hat in irgendeiner Weise den Migranten geholfen, die Hilfe brauchten. Aber jetzt ist es wirklich an der Zeit, nach einer strukturellen Lösung zu suchen."
Mehr als 5000 Neuankömmlinge an einem Tag
Zuletzt war die Zahl der Ankommenden wieder stark gestiegen. Am Dienstag registrierten die Behörden innerhalb von 24 Stunden mehr als 5000 Menschen, wie nun aus Zahlen des Innenministeriums hervorging. Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete von mehr als 5100 Angekommenen - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag.
Dabei kam es in der Nacht auf Mittwoch auch zu einem tragischen Unglück: Beim Versuch, ein erst fünf Monate altes Kind an Land zu bringen, fiel der Säugling ins Wasser und ertrank.
Unklar ist, welche konkreten Auswirkungen die Ausrufung des Notstands in der Kommune hat. Italiens Rechtsregierung hatte bereits im April wegen der hohen Migrationszahlen über die Mittelmeerroute landesweit einen Notstand beschlossen.
Einziges Aufnahmezentrum überfüllt
Lampedusa liegt 190 Kilometer von der tunesischen Küstenstadt Sfax entfernt und gehört seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa. Grund für die so große Zahl ankommender Migranten war nach Angaben italienischer Behörden, dass viele Schleuserboote wegen des schlechten Wetters und der rauen See in Tunesien erst nicht hatten auslaufen können und dann alle gleichzeitig losfuhren.
In dem einzigen Aufnahmezentrum für Migranten auf Lampedusa gibt es nur 450 Betten. Es ist derzeit erneut völlig überfüllt: Knapp 6800 Migranten befinden sich auf der Insel - die meisten in dem Camp.
Viele der Neuankömmlinge wurden deshalb sofort auf Fähren gebracht oder auch mit Flugzeugen nach Sizilien oder Kalabrien überstellt. "Wir versuchen, sie so schnell wie möglich zu verlegen", sagte Filippo Romano, der Präfekt der Region Agrigento, der auch Lampedusa zugerechnet wird.
Unruhen am Nachmittag
Am Hafen spitzte sich die Lage am Mittwochnachmittag zu. Hunderte Migranten versuchten nach übereinstimmenden Medienberichten, den Hafen zu verlassen und Absperrungen zu durchbrechen. Wie auf Videos zu sehen war, drängte die Polizei die Menschen zurück. Die zuständige Finanzpolizei wollte sich am Abend dazu auf Nachfrage nicht äußern.
Nach Zahlen des Innenministeriums in Rom wurden seit Beginn des Jahres bereits mehr als 123.800 Menschen registriert, die auf Booten Italien erreichten - im Vorjahr waren es von Januar bis Mitte September 65.500. Bis Ende des Jahres könnte gar der Höchstwert von 2016 übertroffen werden, damals kamen 181.000 Menschen an.
Deutschland stoppt Aufnahme
Der Umgang mit den Migranten sorgt auch für neue Diskussionen zwischen der Bundesregierung und der Rechtsregierung in Italien. Berlin setzte ein Programm zur freiwilligen Aufnahme von Migranten aus Italien aus, wie das Bundesinnenministerium bestätigte. Grund sei, dass sich die italienische Regierung weigere, Geflüchtete in Deutschland nach den Dublin-Regeln der Europäischen Union wieder zurückzunehmen. Zudem verwies das Ministerium auf den "hohen Migrationsdruck nach Deutschland".
Ursprünglich hatte Deutschland zugesagt, 3500 Asylbewerber aus besonders belasteten Staaten an Europas Außengrenzen im Süden zu übernehmen. Bislang wurden über den sogenannten freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus 1700 Schutzsuchende überstellt, damit sie in Deutschland ihr Asylverfahren durchlaufen.
Die Dublin-Regeln sehen vor, dass Asylbewerber ihren Antrag - bis auf wenige Ausnahmefälle - im ersten EU-Land stellen müssen, in dem sie registriert wurden. Wer es dennoch in einem anderen Staat versucht, kann dorthin zurückgeschickt werden.