Krieg in Nahost Israels Armee auf dem Vormarsch in Rafah
Israelische Truppen dringen immer weiter in das mit Flüchtlingen überfüllte Rafah ein. Nach UN-Angaben sind inzwischen fast 450.000 Menschen aus der Stadt geflohen. Ein weiteres Krankenhaus im Süden des Gazastreifens musste geschlossen werden.
Augenzeugenberichten zufolge sind israelische Truppen im Süden des Gazastreifens tiefer in die Stadt Rafah vorgedrungen. Demnach bewegten Panzer sich von Osten aus in weiter westlich gelegene Viertel. Verbündete wie die USA hatten Israel insbesondere wegen der befürchteten Folgen für die Zivilbevölkerung immer wieder vor einer großen Bodenoffensive in der Stadt gewarnt.
In Rafah hatten bis vergangene Woche rund eine Million Menschen Schutz vor Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht. Knapp 450.000 Menschen haben die Stadt laut UN-Schätzungen inzwischen wieder verlassen. "Leere Straßen in Rafah, während Familien weiter fliehen auf der Suche nach Sicherheit", schrieb das Palästinenserhilfswerk UNRWA auf der Plattform X.
Die israelische Armee war in der vergangenen Woche von Osten auf die Stadt vorgerückt. Sie kontrolliert seitdem auch den palästinensischen Teil des Rafah-Grenzübergangs nach Ägypten. Israel verstärkt den militärischen Druck auf die islamistische Hamas in Rafah, um die Freilassung von im Oktober verschleppten Geiseln zu erreichen.
Weiteres Krankenhaus geschlosssen
Angesichts der fortschreitenden israelischen Offensive stellte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen die Versorgung im Indonesischen Krankenhaus in Rafah ein. Die 22 dort noch verbliebenen Patientinnen und Patienten seien an andere Einrichtungen überwiesen worden, da ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte, teilte eine Sprecherin mit.
Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA sind 24 von 36 Krankenhäusern im Gazastreifen nicht mehr in Betrieb. Laut Ärzte ohne Grenzen versucht die Organisation, im Gebiet des Gazastreifens Feldkrankenhäuser aufzubauen. Diese könnten ein funktionierendes Gesundheitssystem aber nicht ersetzen und den Andrang verwundeter Zivilisten nicht bewältigen.
Heftige Kämpfe in weiten Teilen des Gazastreifens
Palästinensische Augenzeugen berichteten von fortwährendem israelischen Beschuss im Norden, Süden und mittleren Abschnitt des Gazastreifens. Der militärische Arm der Terrororganisation Hamas teilte mit, seine Kämpfer hätten in Rafah mehrfach israelische Truppen am Grenzübergang nach Ägypten angegriffen. Außerdem hätten sie einen israelischen Truppentransporter in Rafah beschossen. Die israelische Armee teilte mit, die Streitkräfte hätten am Rafah-Grenzübergang "mehrere bewaffnete Terrorzellen im Kampf aus nächster Nähe ausgeschaltet".
Auch der Einsatz im Flüchtlingsviertel Dschabalia im Norden des Gazastreifens sei ausgeweitet worden. Insgesamt habe die Luftwaffe binnen 24 Stunden "mehr als 100 Terrorziele im Gazastreifen angegriffen". Die Hamas feuerte nach eigenen Angaben erneut eine Rakete aus dem Gazastreifen auf die israelische Küstenstadt Aschkelon ab.
Katar spricht von "nahezu Stillstand" bei Gesprächen
Die Bemühungen um eine Waffenruhe sind dem Vermittlerstaat Katar zufolge nahezu zum "Stillstand" gekommen. Es gebe grundlegende Unstimmigkeiten zwischen der Hamas und Israel, sagte der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani in der Hauptstadt Doha. Eine Seite wolle den Krieg beenden und dann über die Geiseln sprechen, die andere Seite wolle die Geiseln befreien und den Krieg fortsetzen. "Solange es keine Einigkeit bei diesen beiden Dingen gibt, werden wir zu keinem Ergebnis kommen", betonte er.
Seit Wochen versucht Katar gemeinsam mit Vertretern aus den USA und Ägypten ein Abkommen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas zu vermitteln.
Netanyahu: Israel kämpft um seine Existenz
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu betonte zum Unabhängigkeitstag seines Landes Entschlossenheit. Er nannte den Krieg bei der zentralen Zeremonie zum Soldatengedenktag einen Kampf um die Existenz seines Landes. Der Ausgang des Kriegs wird nach Einschätzung seines Verteidigungsministers Joav Gallant das Leben der Israelis in den kommenden Jahrzehnten bestimmen. "Dies ist ein Krieg ohne Alternative", sagte Gallant.
Am Vorabend des Unabhängigkeitstages hatten bei einer Kundgebung in Tel Aviv nach Angaben der Veranstalter rund 100.000 Menschen an das Schicksal der 132 Geiseln im Gazastreifen erinnert. Dabei gab es auch Proteste gegen Netanyahu und seine Regierung. Ein Redner warf der Regierung Versagen vor.