Großbritannien Englische Assistenzärzte beginnen längsten Streik
Das britische Gesundheitssystem NHS steckt in einer Dauerkrise. Jetzt legen Englands Assistenzärzte für ganze sechs Tage die Arbeit nieder - und fordern 35 Prozent mehr Gehalt. Die konservative Regierung hält das für unbezahlbar.
Einen so langen Streik der Assistenzärzte hat es im britischen Gesundheitswesen noch nicht gegeben: Von Mittwoch an legen die jungen Fachkräfte in England - so ist es angekündigt - sechs Tage lang die Arbeit nieder.
Für Krankenhäuser ist es die schwierigste Zeit des Jahres, in der Personen mit Infektionskrankheiten wie Grippe und Corona zu all den Menschen hinzukommen, die eh im Krankenhaus behandelt werden müssen.
Stephen Powis, medizinischer Direktor des Gesundheitsdienstes NHS in England, geht davon aus, dass Tausende Behandlungstermine abgesagt werden müssen: "Es wird eine Notfallversorgung geben, aber die Menschen, deren Termine nun verschoben werden, die kommen zu den 1,2 Millionen Patienten dazu, die auf den Wartelisten stehen."
Assistenzärzte wollen 35 Prozent mehr Lohn
Der Gesundheitsdienst ist überfordert. Die Wartelisten werden immer länger, es fehlt Geld, es gibt zu wenig Personal, Stellen können nicht besetzt werden.
Etwa die Hälfte der Ärzte, die in Krankenhäusern arbeiten, sind Assistenzärzte, gehören also der Berufsgruppe an, die nun für mehr Geld die Arbeit niederlegt. Faire Bezahlung fordern die jungen Ärzte. Die Interessenvertretung, die British Medical Association (BMA), will eine Gehaltserhöhung von 35 Prozent durchsetzen. Dieser Anstieg würde gerade einmal das Einkommensniveau von 2008 sichern, heißt es.
Die Regierung argumentiert, das sei unbezahlbar. Die Streiks verschärften nur die Probleme im NHS. In den vergangenen 13 Jahren hat die konservative Regierung die Ausgaben für den Gesundheitsdienst deutlich zurückgefahren, selbst Experten sagen: Die Regierung hat den NHS kaputtgespart.
Bereits kurz vor Weihnachten 2023 waren die englischen Assistenzärzte für einige Tage in den Ausstand getreten.
Defizite im Gesundheitswesen sind sehr groß
Die Lage ist so desaströs, dass selbst viele Patienten Verständnis haben für die Assistenzärzte. Eine Dame, befragt vor einem Krankenhaus in Kent, sagt, die jungen Ärzte würden sehr hart arbeiten. Sie würden den Menschen helfen und streikten nur, weil es halt wirklich nicht mehr anders gehe.
In einer Studie des Thinktanks Public Policy Research kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Defizite im Gesundheitsdienst so groß sind, dass es zehn Jahre dauern wird, diese aufzuholen und die Wartelisten auf das Level des Jahres 2010 abzuarbeiten.
In dem Papier heißt es auch, dass die Hälfte der Befragten sogar höhere Steuern zahlen würden, wenn die Defizite im öffentlichen Sektor, also auch im Gesundheitsdienst, dadurch behoben werden könnten.
Regierung zeigt sich besorgt
Die Verhandlungen haben bislang nichts gebracht, die Gesundheitsministerin Victoria Atkins forderte die Assistenzärzte auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Regierung sei besorgt angesichts der massiven Auswirkungen dieser Streiks.
Zuletzt hatten die "junior doctors" im Dezember in England drei Tage lang die Arbeit niedergelegt. 88.000 Termine mussten abgesagt werden. In Schottland hat es bereits eine Einigung gegeben, in Wales werden wahrscheinlich noch in diesem Monat weitere Streiks stattfinden, in Nordirland steht noch die Abstimmung der Assistenzärzte, ob es zu Streiks kommen soll, aus.