Finanz- und Gesundheitsminister gehen Rücktritte aus Protest gegen Johnson
Der britische Premier Johnson hat zwei wichtige Minister verloren. Finanzminister Sunak und Gesundheitsminister Javid reichten ihren Rücktritt ein - aus Protest gegen Johnson. Der ernannte Stunden später bereits Nachfolger.
Aus Protest gegen die Amtsführung des britischen Premierministers Boris Johnson sind zwei wichtige Minister seiner Regierung zurückgetreten: Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid reichten nach einer Reihe von Skandalen innerhalb der Regierung und der konservativen Tory-Partei ihren Rücktritt ein. Im Anschluss folgten weitere Rücktritte, etwa von den Staatssekretären Jonathan Gullis und Saqib Bhatti, beide Mitglieder der Konservativen.
Kein Vertrauen mehr
Javid erklärte in seinem Rücktrittsschreiben, er habe das Vertrauen in den Regierungschef verloren. Unter Johnsons Führung werde die Konservative Partei von der Öffentlichkeit weder als wertegeleitet angesehen noch diene sie dem nationalen Interesse.
Auch nach dem parteiinternen Misstrauensvotum, das Johnson kürzlich knapp gewann, habe der Premier keinen Kurswandel eingeleitet. "Mir ist klar, dass sich diese Situation unter Ihrer Führung nicht ändern wird", schrieb Javid.
Sunak betonte, er sei immer loyal zu Johnson gewesen. "Aber die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass die Regierung richtig, kompetent und ernsthaft handelt." Javid und Sunak hatten beide Johnson noch während des Skandals über Partys während des Corona-Lockdowns öffentlich unterstützt.
Eine direkte Stellungnahme von Johnson lag zunächst nicht vor. Sein Büro veröffentlichte am Abend ein Antwortschreiben an die beiden Minister, in denen Johnson ihre Rücktritte bedauerte. Nur wenige Stunden später ernannte Johnson den bisherigen Bildungs-Staatssekretär Nadhim Zahawi als neuen Finanzminister. Seinen bisherigen Stabschef Steve Barclay machte der Premierminister zum Gesundheitsminister.
Johnson soll von Vorwürfen gewusst haben
Johnson hatte vor knapp einem Monat ein Misstrauensvotum seiner eigenen konservativen Partei wegen der "Partygate"-Affäre überstanden. In der Abstimmung der Tory-Fraktion setzte er sich aber nur mit 211 zu 148 Stimmen durch. Rund 40 Prozent seiner Fraktion sprachen sich also gegen ihn aus.
Zuletzt hatte der Druck auf ihn wegen eines Skandals um sexuelle Belästigung wieder zugenommen. Der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der Tory-Partei, Chris Pincher, war Ende vergangener Woche zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er zwei Männer in einem Londoner Privatclub sexuell belästigt hatte. Laut britischen Medienberichten ist einer der Männer Abgeordneter. Beide hätten sich demnach bei der konservativen Parteiführung beschwert.
Johnson hatte Pincher, der bereits zuvor wichtige Posten in Partei und Regierung inne hatte, im Februar zum stellvertretenden Fraktionsgeschäftsführer gemacht. Zunächst erklärten Kabinettsmitglieder, Johnson sei sich der Vorwürfe nicht bewusst gewesen, als er Pincher auf den Fraktionsposten hievte. Am Montag räumte ein Sprecher dann ein, Johnson habe von Anschuldigungen gewusst.
Opposition: Regierung bricht zusammen
Der Vorsitzende der britischen Oppositionspartei Labour, Keir Starmer, sagte in einer Erklärung: "Nach all dem Schmutz, den Skandalen und dem Scheitern ist klar, dass diese Regierung jetzt zusammenbricht."
Einem Bericht des Senders BBC zufolge erklärte Außenministerin Liz Truss, sie stehe zu 100 Prozent hinter dem Premierminister. Auch Verteidigungsminister Ben Wallace soll Johnson nach wie vor unterstützen. Beide gelten als potenzielle Nachfolger.
Für Mittwoch ist ein Auftritt Johnsons im Parlamentsausschuss geplant. Die traditionelle Befragung vor dem sogenannten Liaison Committee im Unterhaus ist einer der Höhepunkte des Jahres im britischen Parlament. Bei keiner anderen Gelegenheit hat der Regierungschef so wenig Möglichkeiten, unangenehmen Fragen auszuweichen.