Neujahrsansprache Grönlands Regierungschef distanziert sich von Dänemark
"Fesseln des Kolonialismus" beseitigen: Mit ungewöhnlich klaren Worten hat sich Grönlands Regierungschef Egede für eine Unabhängigkeit von Dänemark ausgesprochen. Donald Trump und dessen Interesse an der Insel kamen in seiner Rede nicht vor.
In Grönland werden die Rufe nach Unabhängigkeit der selbstverwalteten Insel vom Königreich Dänemark lauter. "Es ist an der Zeit, dass wir selbst einen Schritt unternehmen und unsere Zukunft gestalten", sagte der Regierungschef der ehemaligen dänischen Kolonie, Mute Egede, in seiner Neujahrsansprache. Dies gelte auch im Hinblick darauf, mit wem Grönland eng zusammenarbeite und wer seine Handelspartner sein werden.
In den vergangenen Jahren hat in Grönland die Unabhängigkeitsbewegung an Kraft gewonnen, der Regierungschef hat sich aber bisher zurückhaltender zu dem Thema geäußert. Kurz vor Egedes Vorstoß hatte der designierte US-Präsident Donald Trump - ähnlich wie schon 2019 - Interesse an "dem Besitz und der Kontrolle" der riesigen Insel in der Arktis signalisiert.
Egede hatte Trump prompt eine klare Abfuhr erteilt, und in seiner jüngsten Rede kamen weder der US-Politiker noch die USA vor. Grönland mit seinen rund 57.000 Einwohnern ist von großer strategischer Bedeutung für die USA, die dort einen Luftwaffenstützpunkt mit Frühwarnsystem für ballistische Raketen unterhalten. Grönlands Hauptstadt Nuuk liegt näher an New York als an Kopenhagen.
"Das Volk muss entscheiden"
In Grönland stehen Parlamentswahlen an, die bis zum 6. April abgehalten werden müssen. "Es ist das grönländische Volk, das entscheiden muss, ob Grönland die nächsten Schritte auf dem Weg zu einem unabhängigen Land gehen soll. Die bevorstehende Wahlperiode sollte daher eine Periode sein, in der die grönländische Bevölkerung entscheidet, wie Grönland in Zukunft aussehen soll und wie das System aussehen soll“, so der 37-jährige Egede.
Wann es dazu kommen könnte, ließ er aber offen. Eine Mehrheit ist für die Unabhängigkeit, allerdings gibt es Differenzen über den Zeitplan und die erwarteten Auswirkungen auf den Lebensstandard.
Grönlands Regierungschef Egede: "Es ist an der Zeit, dass wir selbst unsere Zukunft gestalten"
Grönlands Wirtschaft ist fragil
Seit 2009 hat Grönland das Recht, sich durch ein Referendum für unabhängig zu erklären. Trotz großer Bodenschätze wie Öl und Gas ist die Wirtschaft fragil und Grönland stark von Zuwendungen aus Kopenhagen sowie dem Fischfang abhängig.
"Die Geschichte und die gegenwärtigen Bedingungen haben gezeigt, dass es in unserer Zusammenarbeit mit dem Königreich Dänemark nicht gelungen ist, völlige Gleichberechtigung herzustellen", sagte Egede. "Wie andere Länder der Welt müssen wir daran arbeiten, die Hindernisse für eine Zusammenarbeit - die wir als Fesseln des Kolonialismus bezeichnen können - zu beseitigen und voranzukommen."
Grönland war bis 1953 dänische Kolonie, inzwischen aber ein selbstverwaltetes Territorium des Königreichs. Zuletzt sorgten Enthüllungen über Fehlverhalten dänischer Behörden in Grönland für Aufsehen, darunter eine Kampagne zur erzwungenen Geburtenkontrolle in den 1960er Jahren.