Bericht zu Grenfell Tower "Todesfälle waren allesamt vermeidbar"
72 Menschen sind beim verheerenden Feuer im Londoner Grenfell Tower vor sieben Jahren gestorben. Die Katastrophe hätte verhindert werden können, heißt es im Untersuchungsbericht. Premier Starmer bat um Entschuldigung.
Nach dem Großbrand im Londoner Grenfell Tower im Jahr 2017 mit 72 Toten sieht der Untersuchungsbericht Behörden und Unternehmen in der Verantwortung. "Die simple Wahrheit ist, dass die Todesfälle allesamt vermeidbar waren", sagte der Vorsitzende der Untersuchung, Martin Moore-Bick.
Die Katastrophe sei "das Ergebnis jahrzehntelangen Versagens" der Zentralregierung und anderer verantwortlicher Stellen hinsichtlich der Verwendung brennbaren Materials an den Außenmauern von Hochhäusern. Ursache wiederum sei in erster Linie Inkompetenz gewesen - in manchen Fällen aber auch Profitgier.
Der britische Premierminister Keir Starmer entschuldigte sich vor dem Parlament bei den Betroffenen und räumte Fehler ein. Großbritannien werde versuchen, Unternehmen, die in der öffentlichen Untersuchung verantwortlich gemacht wurden, von der Vergabe von Regierungsaufträgen auszuschließen.
"Das Land hat es versäumt, seine grundlegendste Pflicht zu erfüllen", so der seit knapp zwei Monaten amtierende Premierminister Starmer von der Labour-Partei.
Kritik auch an der Feuerwehr
"Ich möchte mit einer Entschuldigung im Namen des britischen Staates bei jedem einzelnen von Ihnen beginnen - und in der Tat bei allen Familien, die von dieser Tragödie betroffen sind", so Starmer als Reaktion auf den Bericht. "Das hätte nie passieren dürfen. Das Land hat es versäumt, seine grundlegendste Pflicht zu erfüllen: Sie und ihre Lieben zu schützen, die Menschen, denen wir hier dienen." Es tue ihm "zutiefst leid."
Das Feuer war vor sieben Jahren im vierten von 24 Stöcken des Sozialbaus im Londoner Stadtteil North Kensington ausgebrochen. Es breitete sich schnell über die Fassade aus. Dabei spielte vor allem die Verkleidung eine fatale Rolle, wie sich bei der seit Jahren laufenden Untersuchung herausstellte.
Die Untersuchungsgruppe lastet auch der Feuerwehr schwere Fehler an. Sie hätte den Menschen viel zu lange dazu geraten, in dem brennenden Gebäude zu bleiben und auf Hilfe zu warten. Dabei zeichnete sich schnell ab, dass die Flammen rasch das ganze Hochhaus erfassen werden. Für viele wurden ihre Wohnungen zur Todesfalle.
Fassade kurz vor dem Großbrand angebracht
Die Fassade war erst kurz vor dem Unglück mit einer Isolierung und Verkleidung versehen worden, um den bereits 1974 fertig gestellten Wohnturm ansehnlicher und energetisch effizienter zu machen. Doch die Teile aus Aluminium mit Kunststoffkern waren völlig ungeeignet und wirkten wie Brandbeschleuniger.
Dass sie dennoch installiert wurden, habe an einer schier endlosen Kette von Fehlverhalten und Versagen bei Behörden und Unternehmen gelegen, wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht. So wurden Brandschutzbestimmungen lax ausgelegt, Testergebnisse manipuliert oder falsch dargestellt und Warnungen in den Wind geschlagen.
Überlebende und Hinterbliebene hatten seit Langem Konsequenzen gefordert. Direkte strafrechtliche Folgen hat die aktuelle Untersuchung nicht. Ob und wann es zu Anklagen kommen wird, ist bislang offen.