Rettungsarbeiten unterbrochen "Ich schicke keine Leute da rein"
Die Feuerwehr hat die Suche nach Opfern im Londoner Grenfell Tower aus Sicherheitsgründen unterbrochen. Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich auf 17. Noch immer werden Menschen vermisst. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass Brandschutzvorschriften nicht eingehalten wurden.
Die Londoner Feuerwehr hat die Suche nach weiteren Opfern im ausgebrannten Hochhaus vorerst abgebrochen. Die Ränder des Gebäudes seien strukturell nicht sicher, sagte Feuerwehrchefin Dany Cotton. "Ich schicke keine Feuerwehrleute da rein." Jüngsten Angaben zufolge erwägt die Feuerwehr, in dem Gebäude Spürhunde einzusetzen.
Am Morgen, mehr als 24 Stunden nach dem Ausbruch des verheerenden Feuers, kam noch immer Rauch aus dem Haus. Inzwischen hätten es die Einsatzkräfte geschafft, die letzten Brandherde zu löschen. Die Feuerwehr habe alle 24 Stockwerke kurz durchsuchen können. Für eine gründlichere Suche müssten vor allem die oberen Stockwerke erst gesichert werden. Die Durchsuchung und Bergung möglicher weiterer Leichen werde noch Wochen dauern. Inzwischen bestätigte die Polizei 17 Tote und befürchtet nach eigener Darstellung, dass die Zahl noch steigen könnte.
Bei dem verheerenden Brand im Westen Londons konnte die Feuerwehr 65 Menschen aus den Flammen retten, anderen gelang selbst die Flucht. Nach Angaben der Rettungskräfte wurden mindestens 79 Patienten in Kliniken behandelt, 18 von ihnen seien in einem kritischen Zustand. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist unklar. In dem Gebäude mit 120 Wohnungen lebten britischen Medienberichten zufolge zwischen 400 und 600 Menschen. Die Ursache des Brands ist noch nicht geklärt.
Die britische Premierministerin May am ausgebrannten Hochhaus Grenfell Tower.
May kündigt Untersuchung an
Premierministerin Theresa May traf am Vormittag am Unglücksort ein, um sich persönlich ein Bild von der Katastrophe zu machen. Sie hatte zuvor eine "sorgfältige Untersuchung" angekündigt. Wenn aus dem Feuer Konsequenzen zu ziehen seien, würden Maßnahmen ergriffen, sagte May. Bürgermeister Sadiq Khan hatte ebenfalls umfassende Aufklärung versprochen. "Es wird im Laufe der nächsten Tage viele Fragen zur Ursache dieser Tragödie geben, und ich möchte den Londonern versichern, dass wir dazu alle Antworten bekommen werden."
Auch die britische Königin Elizabeth II. sprach den Opfern ihre Anteilnahme aus. Ihre Gedanken und Gebete seien bei den Familien, die bei dem Feuer im Grenfell Tower Angehörige verloren hätten, und bei den vielen Menschen, die schwer verletzt im Krankenhaus lägen, teilte der Buckingham-Palast mit. Es sei ermutigend, zu sehen, wie viele Freiwillige nun zur Hilfe kämen.
Unfall wie in der "Dritten Welt"
Der britische Brandschutz-Experte Jon Hall nannte den Brand im Grenfell Tower einen Unfall, wie er in der "Dritten Welt" vorkomme. "Alle Bestandteile der Feuersicherheit und des Gebäudemanagements" müssten versagt haben, vermutete er auf Twitter. Matt Wrack, der Chef der Feuerwehr-Gewerkschaft, sagte, nach dem Brand hätten die Bewohner des Gebäudes das Recht, kritische Fragen zu stellen - etwa, ob die Fassadenverkleidung die Feuersicherheit beeinträchtigt habe.
Nach der Katastrophe war das Hochhaus im Stadtteil Kensington gestern noch entgegen ersten Befürchtungen als nicht einsturzgefährdet eingeschätzt worden. Spezialisten hatten den Sozialbau nach Angaben der Feuerwehr untersucht und für weitere Lösch- und Bergungsarbeiten sicher befunden. Nach Angaben der Polizei wird der Rettungseinsatz noch mehrere Tage dauern.
Hunderte Londoner spendeten Decken, Kleider oder Babynahrung für die Bewohner. Auch mehr als eine Million Pfund an Hilfsseldern wurden gesammelt. Das Gebäude wurde 1974 erbaut und von 2014 bis 2016 saniert. Es hatte bereits Beschwerden über unzureichenden Brandschutz in dem Hochhaus gegeben.
Überprüfung des Brandschutzes in Deutschland
Wegen des Feuers will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die energetische Gebäudesanierung in Deutschland auf den Prüfstand stellen. "Ein vergleichbarer Fassadenbrand an einem Hochhaus ist in diesem Ausmaß bei uns so gut wie ausgeschlossen. Wir nehmen das jedoch zum Anlass und werden überprüfen, ob die aus energetischen Gründen geforderte Außendämmung eine zusätzliche Brandgefahr auslöst", sagte Herrmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Auch die Berliner Feuerwehr drängt auf schärfere Vorschriften beim Brandschutz für niedrigere Gebäude. Berlins Landesbranddirektor Wilfried Gräfling wies im RBB-Inforadio darauf hin, dass bei Häusern mit einer Höhe von weniger als 22 Metern brennbares Dämmmaterial erlaubt sei. "Das bemängeln wir als Feuerwehr, weil wir da schon schlechte Erfahrungen gemacht haben - nicht hier in Berlin, aber schon in anderen Städten."