Umstrittenes NGO-Gesetz Proteste in Georgien weiten sich aus
Zehntausende Menschen haben in Georgien erneut gegen das umstrittene Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" demonstriert. Das Parlament stimmte in zweiter Lesung für das Gesetz, die dritte steht noch aus.
Die Stimmung bei den Demonstrationen in Georgiens Hauptstadt Tiflis wird immer angespannter. Kommen die Protestierenden den Parlamentstüren zu nahe, setzt die Polizei Reizgas ein - und Wasserwerfer.
Die Zurückgedrängten reagieren mit Pfiffen, blasen in Trillerpfeifen oder Tröten, einige schmeißen Wasserflaschen und Steine auf die Polizisten, die mit Helmen und Schutzschilden ausgerüstet sind. Trotzdem sollen mehrere Beamte Verletzungen erlitten haben, so wie auch Demonstrierende. Die meisten von denen zeigen sich unerschütterlich - wie David: "Wir haben vor nichts Angst", sagt er. "Das ist unsere Zukunft, und wir wählen Europa."
Regierung will Gesetz in kommenden Tagen durchs Parlament bringen
Die mittlerweile fast täglichen Auseinandersetzungen entzünden sich an einem Gesetzentwurf mit einem sperrig klingenden Namen. Er lautet: "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme". Die Regierung plant, den Entwurf in den kommenden Tagen durchs Parlament zu bringen.
Sollte ihr das gelingen, müssten alle Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten, ihre Einkünfte offenlegen. Von notwendiger Transparenz spricht die Regierungspartei.
Die Opposition im Parlament sagt: Es ist ein "russischer Gesetzentwurf". Einer ihrer Abgeordneten erklärt: "Der fünfte Artikel ist russisch, weil dieses Gesetz ebenso wie ein Kreml-Gesetz darauf abzielt, Menschen öffentlich zu Agenten, Spionen und Verrätern zu erklären."
Handgreiflichkeiten im Parlament
In zweiter Lesung stimmten gestern 83 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 23 dagegen. Das Vorhaben muss dann noch in dritter Lesung verabschiedet werden. Im Anschluss an die jüngste Abstimmung kam es zu Handgreiflichkeiten im Parlament. "Russen raus", skandierten die Menschen vor dem Gebäude.
In Russland nutzen die Behörden seit 2012 eine ähnliche Rechtsvorschrift, so die Kritik, um systematisch die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien zu zerschlagen. Darauf ziele auch die Regierungspartei in Georgien ab, so Demonstrantin Nina: "Wir glauben nicht, dass es um Transparenz geht", sagt sie. "Es geht um Kontrolle von Medien und Nichtregierungsorganisationen. Ich sage, es ist pro-russisch."
Georgien ist EU-Beitrittskandidat
Georgien genießt seit vergangenem Dezember EU-Beitrittskandidaten-Status. Die Menschen, die dieser Tage lautstark vor das Parlament ziehen, wollen, dass daraus eine Mitgliedschaft wird. Auch Dimitri: "Wir müssen gegen dieses Gesetz kämpfen", sagt er. "Und gegen alles, was uns von Europa fernhält. Und wir müssen unser Bestes geben, so schnell wie möglich in die EU zu kommen."
Die Regierungspartei möchte erklärtermaßen ebenfalls eine Annäherung an die EU. Gleichzeitig unterhält sie jedoch gute Beziehungen zu Russland. Widersprüchlichkeit möchten ihre Politiker darin nicht erkennen.
Anders der Führer der größten Oppositionspartei im Parlament. Er sei vorletzte Nacht festgenommen und von Polizisten geschlagen worden, hieß es aus seinem Umfeld. Mit offensichtlichen Verletzungen an der Nase und an einem Auge forderte er danach im Parlament die Regierungspartei auf, vom eingeschlagenen Weg abzukehren: "Es sind nur noch fünf Monate bis zu den Wahlen. Vielleicht werde ich mit diesem Auge nie wieder sehen können, aber im Land wird man die Wahrheit erkennen."