Massive Proteste in Georgien Umstrittenes NGO-Gesetz nimmt zweite Hürde
Das Parlament in Georgien hat in zweiter Lesung das Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" verabschiedet. Kurz darauf protestierten erneut Zehntausende vor dem Parlament. Aus der EU kommt scharfe Kritik am Kurs der Regierung.
Überschattet von Protesten hat das Parlament in Georgien in zweiter Lesung ein Gesetz zur verschärften Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen angenommen. Es sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, sich behördlich registrieren lassen müssen.
Von den insgesamt 150 Abgeordneten stimmten 83 für die umstrittene Gesetzesinitiative, 23 votierten dagegen. Für die Annahme des Gesetzes sind drei Lesungen notwendig. Die finale Lesung soll Regierungschef Irakli Kobachidse zufolge in zwei Wochen stattfinden.
Auseinandersetzungen im Parlament und auf der Straße
Während der Lesung kam es zu lautstarken und teilweise handgreiflichen Auseinandersetzungen im Parlament, wie Fernsehbilder zeigen. Ein Abgeordneter aus dem Regierungslager warf im Plenarsaal ein Buch auf Abgeordnete der Opposition, während andere Kontrahenten körperlich angingen.
Auf den Straßen von Tiflis kommt es seit Wochen zu massiven Protesten. Am Dienstagabend war die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstranten vor dem Parlament vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben des Innenministeriums 63 Personen festgenommen. Nach der Verabschiedung des Gesetzes in zweiter Lesung protestierten erneut Zehntausende vor dem Parlamentsgebäude.
EU-Appell zur Wahrung der Versammlungsfreiheit
Die EU kritisiert das harte Vorgehen der georgischen Polizei gegen die Demonstrierenden. "Georgien ist EU-Beitrittskandidat - ich appelliere an die Behörden, das Recht auf eine friedliche Versammlung zu gewährleisten", schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf dem Kurznachrichtendienst X. Der Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung der Versammlungsfreiheit sei inakzeptabel.
Außenministerin Annalena Baerbock schrieb auf X, dass Georgiens EU-Kandidatenstatus eine historische Chance sei, die von Zehntausenden Menschen auf den Straßen getragen werde. Das Fundament dieser Chance sei "eine demokratische, lebendige und kritische Zivilgesellschaft. Es ist an der Regierung, den Weg in die Zukunft nicht mutwillig zu verbauen", schrieb Baerbock.
Kritiker sehen Parallelen zu russischem Gesetz
Die Regierungspartei Georgischer Traum, die das Gesetz zur verschärften Kontrolle von Nichtregierungsorganisatinen eingebracht hat, will damit nach eigenen Angaben mehr Transparenz schaffen. Sie will ausländische Einflussnahme stärker kontrollieren und aus dem Ausland aufgezwungene "pseudoliberale Werte" bekämpfen.
Kritiker befürchten, das Gesetz könne wie in Russland missbraucht werden, um Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen. Viele Projekte zur Demokratieförderung in der Ex-Sowjetrepublik arbeiten mit Geld aus EU-Staaten oder den USA.