Georgiens Präsidentin kündigt mit Oppositionspolitikern Protest gegen die Regierung an

Nach Parlamentswahl Georgiens Präsidentin ruft zum Protest

Stand: 27.10.2024 21:07 Uhr

Die Opposition in Georgien erkennt das Wahlergebnis nicht an und ruft zum Protest. Aus der EU kommt Unterstützung, andererseits erwartet die Regierung Ungarns Premier Orban zum Solidaritätsbesuch.

Von Silvia Stöber, zzt in Tiflis

"Wir sind Opfer des hybriden Krieges Russlands." Damit eröffnete Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili am Abend eine Erklärung zu den von der Zentralen Wahlkommission bekannt gegebenen Ergebnissen der Parlamentswahl vom Samstag.

Diese hatte der Regierungspartei Georgischer Traum knapp 55 Prozent zugesprochen. Die Oppositionsparteien, die die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hatten, kommen zusammen auf 37 Prozent.

"Unterwerfung Georgiens"

Gemeinsam mit wichtigen Vertretern der Opposition erklärte die Präsidentin, dass man das Wahlergebnis nicht anerkennen werde. Viele Bürgerinnen und Bürger seien durch Manipulationen ihres Wahlrechts beraubt worden.

Sie verglich das Vorgehen der Regierungspartei Georgischer Traum mit dem von Russlands Machthaber Wladimir Putin in seinem Land und nannte die Parlamentswahl eine "russischen Wahl". Auch angesichts russischer Propaganda, die den Wahlkampf des Georgischen Traums unterstützte, sprach Surabischwili von einem Eindringen Russlands und von einer Unterwerfung Georgiens.

Aufruf zum Protest

Surabischwili rief im Namen der Opposition für Montagabend zum Protest gegen die Regierung auf. Zuletzt hatte es einige Tage vor der Wahl eine proeuropäische Demonstration mit Tausenden Teilnehmern gegeben.

Seit Schließung der Wahllokale am Samstagabend war es in der Hauptstadt und im Land ruhig geblieben. Am Abend kamen spontan einige wenige Menschen mit Flaggen der EU und der Ukraine zusammen.

Oppositionelle wollen Mandate nicht annehmen

Mehrere Oppositionspolitiker wie Elen Koschtaria von der Partei Droa (Es ist Zeit!) erklärten bereits, dass sie ihr Abgeordnetenmandat nicht antreten werden. Der Parteilose Lascha Bakradse, der sich dem Bündnis Einheit um die ehemalige Regierungspartei Vereinte Nationale Bewegung angeschlossen hatte, begründete dies so: "Wir können nicht zugleich das Wahlergebnis zurückweisen und die Wahl als Abgeordnete annehmen."

Bakradse setzt nun darauf, die Regierungspartei zu isolieren und hofft auf eine baldige Neuwahl. Wichtig sei, dass das Ergebnis vom Samstag auch international nicht anerkannt werde.

Erneut internationale Vermittlung?

Zudem gibt es die Hoffnung, dass internationale Akteure wie die EU wieder als Vermittler aktiv werden. Nach der letzten Parlamentswahl 2020 hatte EU-Ratspräsident Charles Michel mehrfach verhandelt und schließlich einen Kompromiss ausgehandelt.

Unter anderem sollte die Regierungspartei die Wahlgesetzgebung verbessern. Die Oppositionsabgeordneten, die ihre Mandate blockiert hatten, sollten im Parlament aktiv werden. Viele, insbesondere von der ehemaligen Regierungspartei Vereinte Nationale Bewegung, kamen dem jedoch nicht nach, sodass die Vermittlung letztlich nicht zum Erfolg führte.

Zahlreiche Verstöße

Vertreter der internationalen Wahlbeobachtermission unter Führung der OSZE hatten bei einer Pressekonferenz auf Nachfragen nicht explizit von Wahlbetrug sprechen wollen. Sie hatten aber eine Reihe von Problemen im Wahlverlauf angesprochen.

Dazu zählten Einschüchterung von Wählern, Druck auf Behördenmitarbeiter, Gewalt gegen Beobachter und Journalisten, Stimmenkauf sowie Mehrfachabstimmungen mittels verschiedener Methoden. Sie lobten aber auch das Engagement der Menschen, das sich in einer hohen Wahlbeteiligung und einer starken Präsenz der Zivilgesellschaft als Wahlbeobachter gezeigt hatten.

Solidaritätsbesuch von Orban

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell forderte die Zentrale Wahlkommission und andere zuständige Behörden zu einer Untersuchung der genannten Unregelmäßigkeiten auf. Viele Außenminister und Abgeordnete von EU-Staaten äußerten sich ebenfalls besorgt und kritisierten die Regierungspartei.

Neben Russland und Aserbaidschan gratulierte allerdings auch Ungarns Premier Viktor Orban seinem Amtskollegen Irakli Kobachidse zum Wahlsieg - und dies schon, bevor die ersten Zahlen der Wahlkommission vorlagen.

Orban will am Montagabend mit einigen seiner Minister nach Tiflis kommen, etwa um die Zeit, wenn die Protestaktion der Opposition beginnen soll. Am Dienstag dann will sich Orban, dessen Land derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, mit Premier Kobachidse in der Öffentlichkeit zeigen, so Informationen, die georgischen Journalisten vorliegen.

Die bange Frage ist, ob sich die Regierungspartei ermutigt sehen wird, mit autoritären Methoden gegen Opposition und Zivilgesellschaft vorzugehen - die letzten Bereiche, die sie in den vergangenen Jahren noch nicht unter ihre Kontrolle genommen hat.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Oktober 2024 um 20:00 Uhr.