Havarierter Frachter Wie es mit der "Fremantle Highway" weitergeht
Die havarierte "Fremantle Highway" ist in Eemshaven angekommen, wo beschädigte Autos und Schweröl entsorgt werden. Viel wird nun darüber diskutiert, wie mögliche Naturkatastrophen in Zukunft verhindert werden können.
Am Donnerstag ist die "Fremantle Highway" sicher in den Hafen vom Eemshaven in den Niederlanden eingelaufen. Dort soll die Ladung des Frachters gelöscht und die Brandursache geklärt werden. Ob das Schiff repariert werden kann oder abgewrackt werden muss, will die japanische Reederei ebenfalls in den nächsten Wochen klären.
Wie lange der Frachter in Eemshaven bleiben kann, ist allerdings unklar: "Wir bringen die Fracht aus dem Innenraum, entsorgen das restliche Löschwasser im Rumpf des Frachters und jene Wassertanks, die für den Ballast und das Gleichgewicht des Schiffes nötig sind. Und natürlich auch das Schweröl und den Schiffsdiesel", erklärte der Hafenmeister von Eemshaven, Pieter van der Wal. Bis Oktober könne der teilweise ausgebrannte Frachter, der als "stabil" gilt, in Eemshaven bleiben. Was danach passiert, ist offen.
Wohl Totalschaden bei der Fracht
Falls der Schiffseigentümer entscheidet, das Schiff abzuwracken, gilt es als möglich, dass es in einen speziell dafür ausgerüsteten Hafen nach Indien, Pakistan oder in die Türkei kommt. Vieles hängt wohl davon ab, ob der Maschinenraum noch intakt ist, der als wichtigstes Teil des Schiffes gilt.
Das Steuerhaus wurde jedenfalls vollständig zerstört. Gutachter müssen jetzt feststellen, ob es sich um einen Totalschaden handelt. Das soll erst nach dem Entleeren passieren. Ein Verschrotten in Eemshaven sei nicht möglich, sagt die Hafenverwaltung. Zunächst gelte es, die Schieflage des Frachters zu beseitigen.
Nach ersten Inspektionen ist klar: Die Autos in den unteren vier Parkdecks sind noch einigermaßen heil geblieben. Das fünfte Deck ist leer. In den Decks darüber - von sechs bis elf - haben die Feuer gewütet. Auch die Autos, die relativ unbeschädigt erscheinen - gut 800 - werden nach Ansicht der Bergungsfirma wohl komplett abgeschrieben. Man wisse nicht, welche Schäden indirekt entstanden sind. Versicherungsspezialisten sprechen bereits von einem Totalschaden, was die Fracht betrifft. Er wird derzeit mit rund 300 Millionen Euro beziffert.
Die Stabilität und die Manövrierfähigkeit des Schiffes, das selbst nicht mehr steuerbar ist und in jedem Fall weiter abgeschleppt werden müsste, werde sich verbessern, wenn die Ladung - rund 3800 Autos, vor allem Nobelmarken - von Bord geholt sind.
Erleichterung auf Ameland
Während sich auf den benachbarten Wattenmeerinseln Schiermonnikoog und Ameland Erleichterung breit macht, rückt jetzt stärker die Katastrophenvorsorge in den Vordergrund. Auch das Land Niedersachsen stand während der Überführung des Frachters "in engem Austausch" mit den niederländischen Behörden und hielt mehrere Spezialschiffe zur Ölbekämpfung und zur Schlepphilfe bereit. Das teilte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer von den Grünen mit.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hatte allen Einsatzkräften gedankt, "die in den letzten Tagen ein noch größeres Unglück für die Meeresnatur verhindert haben".
Transportvorschriften bereits verschärft
Über die Brandursache ist noch nichts bekannt. Bergungsspezialist Peter Berdowski hatte nicht ausgeschlossen, dass sie bei einem E-Auto zu finden sein könnte. Das Feuer könnte in großer Geschwindigkeit von einem auf das andere Auto übergesprungen sein.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies erklärte, die "Fremantle Highway" werde im Hafen nun "noch einige Zeit abkühlen müssen". Dann müsse die Unglücksursache gefunden werden. Aus dieser müssten dann die richtigen Schlüsse gezogen werden: Vorschnelle Debatten über die Sicherheit beim Transport von Elektroautos seien dabei "wenig hilfreich". Allerdings schauen Versicherungsunternehmen, vor allem aber die Internationale Schifffahrtsorganisation und die großen Reedereien schon genau auf die zunehmende Zahl dieser Fahrzeuge an Bord.
Nach vorherigen Unglücksfällen wurden die Vorschriften zum Transport bereits zum Teil verschärft. Batterien müssten entladen sein. In Zukunft soll der Umgang mit auftretenden Bränden besser trainiert werden. Bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation heißt es, Brände dieser Art ließen sich oft noch gut unter Kontrolle bringen, wenn rasch und mit den richtigen Mitteln gehandelt werde. Viele Besatzungen seien darauf aber nicht vorbereitet. Einige Transportregeln sollen im kommenden Jahr angepasst werden.
Angst vor möglicher Naturkatastrophe in Zukunft
Der Bürgermeister der Wattenmeerinsel Ameland, Leo Pieter Stoel, und seine Kollegin in Schiermonnikoog, Ineke van Gent, sind schon vor einiger Zeit an die niederländische Regierung herangetreten mit dem Wunsch, die stark befahrene Schiffsroute von den Wattenmeerinseln weg zu verlegen. Nicht nur Autotransporter bildeten eine Gefahr, sondern sämtliche Gefahrguttransporte. Wäre Öl in großen Mengen ausgelaufen, hätte das zum Tod von Tausenden von Seevögeln, Schweinswalen und Kegelrobben und zu einem Ende des empfindlichen Ökosystems führen können. Das Wattenmeer würde Schadstoffe "wie ein Schwamm" aufsaugen, und die seien dann kaum wieder herauszubringen.
Doch die Routen gelten als wichtige Korridore und werden von Hunderten von Frachtern befahren. Dennoch hoffen die Menschen auf den Wattenmeerinseln, dass sich der niederländische Infrastrukturminister Mark Habers jetzt für Konsequenzen einsetzt.
Konsequenzen fordert auch Kim Detloff von der Naturschutzorganisation NABU: "Wir können uns gar nicht vorstellen, was für ein schweres Unglück man angerichtet hätte. Ein hochproduktives Ökosystem wäre zerstört worden." Brandschutzstandards bei Autos müssten überprüft werden, fordert der Meeresschutzexperte: "Grundsätzlich muss sich die Bundesregierung mehr um den Schutz der Nord- und auch der Ostsee bemühen. Geschütze Gebiete müssten auch wirklich geschützt werden."
Forderung nach Verlegung der Schiffsroute
In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die NGO gefordert, deutsche Meeresschutzgebiete nicht weiter für Transporte zu nutzen. Ähnlich wie die Bürgermeister der niederländischen Wattenmeerinseln fordert sie eine Verlegung der Schifffahrtsrouten für Frachter: "Autotransporte, Tanker, aber auch große Frachtschiffe müssen verbindlich die entferntere Nordroute bei Helgoland nutzen." Man müsse sie vom Wattenmeer fernhalten, um im Falle einer Havarie Zeit für die Ökosysteme zu gewinnen.
In Eemshaven geht es aber ab heute um das Innere des Frachters: Autos, die vielleicht noch zu retten sind, sollen am Hafen geparkt werden. Für den Bürgermeister Henk Jan Bolding ist das erst der Anfang einer komplizierten Aktion: "Was mit den Autos passiert, ist Sache des Eigentümers und der Schiffsversicherer. Wir sorgen dafür, dass Schadstoffe ordnungsgemäß entsorgt werden."