Internationale Polizeiaktion Weltweite Kriminellen-App "Ghost" gestoppt
Morde, Geldwäsche, Drogen: Über den Messenger "Ghost" wurden weltweit Aktivitäten von Kriminellen geplant. Internationale Behörden lasen über Jahre mit - und verhinderten so Verbrechen. Jetzt wurde die App ganz enttarnt.
Europol hat in einer weltweiten Polizeiaktion einen verschlüsselten Messaging-Dienst lahmgelegt. "Ghost" soll von Kriminellen weltweit genutzt worden sein, um Drogengeschäfte und Gewaltverbrechen zu planen. Die Aktion gilt als bisher größter Schlag gegen die Kommunikation der organisierten Kriminalität seit drei Jahren.
Einzelheiten nannten Vertreter der Polizeibehörde heute in Den Haag. "Es ist erst der Anfang", kündigte Europol-Exekutivdirektorin Chaterine de Bolle an. "Wir werden gemeinsam die organisierte Kriminalität bekämpfen, wo immer sie aktiv ist."
Vorausgegangen war eine gemeinsame Aktion von Polizeibehörden aus neun Staaten. Beteiligt waren neben Europol auch die US-Bundespolizei und Sicherheitsbehörden aus Australien. Dort erfolgte auch der Zugriff - und damit die Enttarnung der infiltrierten App.
An der weltweiten Aktion waren Behörden aus neun Staaten beteiligt.
Polizei stürmt ins Zimmer eines 32-Jährigen
Die Polizei stürmte gestern die Wohnung der Eltern eines 32-Jährigen, in der er lebte. Er soll eine Art Whatsapp für Kriminelle entwickelt haben - mit dem bezeichnenden Namen "Ghost". Hunderte Käufer aus der Unterwelt glaubten dem Versprechen einer perfekten Verschlüsselung, die von der Polizei längst geknackt worden war.
Die App konnte nur über modifizierte Smartphones abgerufen werden. Die Gebühr: 1.600 Euro für sechs Monate. Nutzer hätten sich zu einem unbefristeten Abo verpflichten müssen, so Europol heute.
50 Morde durch Messenger-Beobachtung verhindert
Die französische Polizei lokalisierte den Server in Australien. Europol nutzte ein Update, um sich aufzuschalten - und las über zwei Jahre hinweg heimlich mit. In dieser Zeit konnten unter anderem 50 Morde, die über die App in Auftrag gegeben und organisiert werden sollten, von der Polizei verhindert werden, hieß es von den Ermittlern.
Ein Drogenlabor wurde ausgehoben. Waffen, Drogen und Bargeld in Millionenhöhe wurden beschlagnahmt, rund 40 Verdächtige gestern und heute verhaftet. Die Festnahmen erfolgten in Australien, Kanada, Schweden, Irland und Italien.
Durch das Beobachten der Gespräche in "Ghost" konnten die Ermittler unter anderem zahlreiche Drogengeschäfte aufdecken.
"Der Verhaftete habe nur gut verdienen wollen"
"Kriminelle Netzwerke, egal wie verborgen sie sich auch halten, können sich unserer gemeinsamen Bemühungen nicht entziehen", warnte Europol-Chefin Catherine de Bolle. Der Verhaftete habe nur gut verdienen wollen, erklärte David McLean von der australischen Polizei, der die Ermittlungsergebnisse in Den Haag mit präsentierte.
Die Ermittler hätten schnell zugreifen müssen. Innerhalb von 30 Sekunden konnten alle relevanten Geräte gesichert werden - mit Spuren nach Europa, Asien und in den Nahen Osten: "Die Grenzenlosigkeit der organisierten Kriminalität ist die größte Herausforderung", räumte McLean ein.
"ANOM" vor drei Jahren enttarnt
Vor drei Jahren führte ein ähnliches Netzwerk namens "ANOM" zu 800 Festnahmen weltweit. Die Verhafteten ahnten nicht, dass "ANOM" von der US-Bundespolizei FBI entwickelt und verdeckt in der Szene verbreitet wurde. Der spektakuläre Coup, der jahrelang vorbereitet worden war, hatte die Unterwelt blamiert. Die App hatte dort den Ruf, besonders sicher vor der Polizei zu sein.
Polizeibehörden aus den USA und auch aus Europa konnten dadurch rund 27 Millionen Nachrichten entschlüsseln: "Derartige Plattformen erleichtern in erheblichem Maß kriminelle Aktivitäten auf der ganzen Welt", warnte FBI-Ermittler Brendun Dunford. "Nachdem das ANOM-Netzwerk enttarnt wurde, hat Ghost die Lücke gefüllt."
Von diesen Apps gibt es offenbar noch einige. Ob von den Sicherheitsbehörden selbst entwickelt, wie bei ANOM, infiltriert oder nur enttarnt, diese delikate Frage bleibt indes ohne Antwort. Zumindest im Fall von "Ghost" scheint sich die Polizei bei einem schon existierenden Dienst bedient zu haben, ohne dass es die Urheber und Nutzer mitbekommen hatten.
Kriminelle Kommunikation fragmentiert sich
Kriminelle müssen mehr denn je auf der Hut sein. Gleiches gilt auch für die Polizeibehörden, vor allem, wenn sich die Anbieter solcher Apps in Regionen verlagern, die für westliche Behörden unerreichbar sind. "Die verschlüsselte Kommunikation wird zunehmend fragmentiert, nachdem andere Dienste gestört oder abgeschaltet wurden", erklärte Europol-Ermittler Jean-Philippe Lecouffe - "Kriminelle diversifizieren ihre Methoden im Internet".
Um so wichtiger sei die internationale Zusammenarbeit. Europol kündigte weitere Aktionen gegen verdächtige Messengerdienste innerhalb der nächsten zwölf Monate an.