Zu hohe Neuverschuldung EU plant Defizitverfahren gegen sieben Länder
Sieben Mitgliedsstaaten droht ein Strafverfahren durch die EU, weil sie zu viele Schulden machen. Frankreich trifft die Ankündigung in politisch heiklen Zeiten. Kritik der EU gibt es auch an Deutschland.
Vor acht Jahren hat sich Brüssel noch geweigert, trotz zu hoher Neuverschuldung ein Defizitverfahren gegen Frankreich einzuleiten. Der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker rechtfertigte das Nichtstun mit der - nicht für alle nachvollziehbaren - Begründung: Weil es eben Frankreich sei, also ein einflussreicher und wirtschaftsstarker Mitgliedsstaat.
Der durchlebt gerade politisch turbulente Zeiten: Präsident Emmanuel Macron hat nach der Schlappe seiner Partei bei der Europawahl Parlamentsneuwahlen für Ende des Monats angesetzt. Laut Umfragen könnten die Rechtspopulisten des Rassemblement National gewinnen.
Aber darauf nimmt Brüssel jetzt keine Rücksicht mehr. Die EU-Kommission bereitet Strafverfahren gegen Frankreich, Italien und fünf weitere Mitgliedsstaaten vor. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni erklärte, dies sei "der erste Schritt einer Entscheidung, die in den kommenden Wochen getroffen wird". Die Entscheidung sei so erwartet worden und sei daher keine Überraschung. "Gleichzeitig stellen wir auch fest, dass Frankreich nicht länger wirtschaftliche Ungleichgewichte aufweist, was eine beruhigende Nachricht ist", sagte Gentiloni weiter.
Frankreich macht sehr viele Schulden
Neben Frankreich und Italien weisen auch Polen, Belgien, Ungarn, Malta und die Slowakei zu große Haushaltslöcher auf, die aus Sicht der EU-Kommission Strafverfahren rechtfertigen. Gemäß den europäischen Schuldenregeln dürfen die Gesamtschulden eines Landes nicht bei mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Die Neuverschuldung darf drei Prozent nicht überschreiten. Frankreich reißt diese Latte deutlich: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone wies im vergangenen Jahr ein Defizit von 5,5 Prozent auf.
Im Juli müssen die EU-Finanzminister die Kommissionsempfehlung billigen, Verfahren einzuleiten. Im November macht Brüssel dann Vorschläge, wie schnell das Defizit gesenkt werden soll. Den sieben verwarnten Staaten drohen im äußersten Fall Geldbußen. Solche Sanktionen wurden bisher aber nie verhängt. Auch der stellvertretende EU-Kommissionschef Valdis Dombrovskis betonte: "Meiner Ansicht nach ist es viel zu früh, um über mögliche Strafen zu reden, weil wir jetzt erst die ersten Schritte einleiten."
EU und Länder sollen Pläne zum Schuldenabbau schmieden
Die europäischen Schuldenregeln wurden wegen der Corona-Pandemie und wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine fast vier Jahre lang ausgesetzt. Seit Ende April gilt der reformierte EU-Stabilitätspakt. Demnach legt die EU-Kommission mit den Staaten individuelle Pfade für den Schuldenabbau fest. Die Länder bekommen mehr Zeit, wenn sie Pläne für Reformen und Investitionen vorlegen. Brüssel kann übergangsweise auch steigende Zinszahlungen berücksichtigen, wenn es um die Anpassungsanstrengungen einer Regierung geht.
Der zuständige Kommissar Gentiloni nennt die neuen Schuldenregeln eine gute Grundlage und das gilt seiner Ansicht nach auf für wirtschaftlich schwierige Zeiten. "Sich Regeln zu geben, bedeutet nicht, auf übertriebenes Sparen hinzuarbeiten, also in einer Rezessionsphase die haushaltspolitischen Maßnahmen noch anzuziehen. So etwas ist vor vielen Jahren passiert und das sollten wir nicht wiederholen", mahnte er.
Kritik an Deutschland wegen fehlender Investitionen
Deutschland hat mit einer Defizitquote von 2,5 Prozent im vergangenen Jahr kein Verfahren zu befürchten, wird aber von der EU-Kommission wegen unzureichender Investitionen kritisiert. Die Bundesregierung habe zwar einige Maßnahmen zur Investitionsförderung ergriffen. Die reichten aber nicht und hätten bisher nicht zu wesentlichen Fortschritten geführt.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber (CSU), begrüßt, dass die Kommission Defizitverfahren vorbereitet. Das zeige, dass sie auch unbequeme Entscheidungen fällen könne. Nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Rasmus Andresen hemmen die neuen Fiskalregeln Investitionen anstatt sie zu fördern.