Künftiger EU-Ratspräsident Costa Ein Partner, kein Konkurrent für von der Leyen
Mit António Costa wird wohl ein Politiker EU-Ratspräsident, der sich als Partner von Kommissionspräsidentin von der Leyen sehen dürfte - nicht als Konkurrent. Dabei galt die Karriere des Portugiesen vor kurzem noch als beendet.
In Portugal nennen sie ihn ein "politisches Tier". Und tatsächlich hat António Costa den Großteil seines Lebens der Politik gewidmet. Als Heranwachsender erlebte er 1974 die Nelkenrevolution gegen die Diktatur seines Landes, wurde Mitglied der Jugendorganisation der Sozialisten, hospitierte als Jurastudent im Büro des späteren sozialistischen Staatspräsidenten Jorge Sampaio, war Mitglied des Lissaboner Stadtparlaments, des portugiesischen Parlaments und des Europaparlaments, wurde Minister.
Er war Bürgermeister Lissabons und wurde 2015 Portugals Ministerpräsident. 2022 bestätigten ihn die Portugiesinnen und Portugiesen überraschend mit einer absoluten Mehrheit im Amt. Das war bislang der Höhepunkt der politischen Karriere von António Costa. Doch am 7. November 2023 schien alles zu Ende. Ein Korruptionsskandal warf ihn aus der Bahn, die Staatsanwaltschaft sprach von der "Operation Influencer".
Durchsuchung am Morgen
An diesem Novembermorgen klingelte die Staatsanwaltschaft mit einem Durchsuchungsbefehl am Palacete de São Bento, der offiziellen Residenz der portugiesischen Ministerpräsidenten in Lissabon. Es war eine von insgesamt 42 Durchsuchungen in Ministerien, Unternehmenssitzen, Rathäusern und Privatwohnungen. Am Ende wurden fünf Personen verhaftet, darunter auch Costas Bürochef Vítor Escária.
Bei der Vergabe von Konzessionen für zwei aufgrund der Umweltauswirkungen umstrittenen Lithium-Minen in Nordportugal, einem Projekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff und beim Bau eines Datacenter seien Korruption, Begünstigung im Amt und Rechtsbeugung im Spiel gewesen.
Tatsächlich gefährdeten negative Umweltverträglichkeitsstudien einen Teil der Projekte lange Zeit, bevor sie dann doch positiv ausfielen. Die Staatsanwaltschaft sah Indizien, Costa habe dabei seinen Einfluss geltend gemacht. Der Oberste Gerichtshof habe darum eine Untersuchung gegen Costa eingeleitet.
Rücktritt ohne Zögern
Costa reagierte noch am selben Tag. Wenige Stunden später übergab er Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa seine Rücktrittsurkunde. Vor den Medien sagte er, er sei von der Nachricht, dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, überrascht gewesen. Aber natürlich sei er "zu jeder Zusammenarbeit mit der Justiz bereit, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt".
Zugleich kündigte er an, nicht bei der vorgezogenen Parlamentswahl anzutreten - er wolle sich darauf konzentrieren, seine Unschuld zu beweisen. Am 10. März verloren die Sozialisten schließlich ihre Mehrheit. Seither wird das Land von der Demokratischen Allianz regiert, die Partei Chega vom äußersten rechten Rand kam auf 18 Prozent der Stimmen und verdoppelte damit ihr Ergebnis von 2022.
Ermittler müssen Fehler einräumen
Es dauerte nicht lange, da musste die Staatsanwaltschaft schwerwiegende Ermittlungsfehler zugeben. Ihre Vorwürfe gegen Costa stützten sich auf abgehörte Telefongespräche, in denen der Nachname des Ministerpräsidenten fiel. Doch der ist in Portugal recht geläufig, die Annahme, der Politiker sei gemeint, erwies sich als Trugschluss.
Inzwischen haben zwei gerichtliche Instanzen festgestellt, dass die Indizienlage unzureichend sei. Auch die enge Freundschaft zwischen Costa und einem von der Staatsanwaltschaft beschuldigten Unternehmer reiche für ein Ermittlungsverfahren nicht aus. Am 17. April erklärte ein Gericht, die Staatsanwaltschaft habe zwar 1.000 Seiten zusammengetragen, aber dies seien vor allem Zeitungsausschnitte, keine Beweise.
Anerkennung für Rücktritt
Der Fall ist damit zwar noch nicht endgültig zu den Akten gelegt, aber der 62-Jährige gilt in Portugal als rehabilitiert. Sein Rücktritt wird nun nicht mehr als Schuldeingeständnis gesehen, sondern als ein mutiger Schritt des "politischen Tieres" zur Verteidigung. Bei der Europawahl bekamen in Portugal die Sozialisten wieder die meisten Stimmen. Und Luis Montenegro, der konservative Nachfolger von Costa als Ministerpräsident, hat früh angekündigt, Costa bei der Kandidatur um das Amt als EU-Ratspräsident zu unterstützen.
Zumal Portugals Sozialisten auch in Ursula von der Leyen eine gute Kommissionspräsidentin sehen - so wie auch ihre spanischen Parteifreunde. Mit dem Gespann von der Leyen und Costa erhoffen sich die Iberer weniger harte Daumenschrauben bei der Rückkehr zur Haushaltsdisziplin, die ihre gute wirtschaftliche Entwicklung wieder abwürgen könnte.
Schließlich hatte Costa als Ministerpräsident mit einem erfolgreichen Konjunkturprogramm die Austeritätspolitik beendet. Und von der Leyen darf mit dem Portugiesen endlich auf einen echten Partner an der EU-Spitze hoffen, nachdem der bisherige Ratspräsident Charles Michel immer offener als ihr Rivale aufgetreten war.