Bulgarien nach der Wahl Keine Kompromisse in Sicht
Die Wahlen in Bulgarien sind laut OSZE überwiegend korrekt abgelaufen, obwohl es auch Stimmenkauf gegeben habe. Die Organisation fordert Kompromisse von den Parteien - doch die sind ebenso wenig in Sicht wie eine arbeitsfähige neue Regierung.
Fünf Wochen lang waren Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Bulgarien unterwegs. Im Großen und Ganzen sind die Parlamentswahlen den Beobachtern zufolge ruhig über die Bühne gegangen.
Ein bisschen Wasser gießt Nina Suomalainen von der OSZE dann aber doch in den Wein:
Viele unserer Gesprächspartner und Organisationen haben ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass in einigen Gemeinden Stimmen gekauft wurden. Da geht es um Orte, die sehr, sehr arm sind. Sodass sie anfälliger sind für Parteien, die sagen: Wir haben hier Mittel für euch, wenn ihr sicherstellt, dass alle für uns wählen."
Auch Fälle von Arbeitgebern, die ihre Angestellten unter Druck setzten, seien ihnen zu Ohren gekommen. Die OSZE spricht sowohl vom öffentlichen Dienst als auch von Privatfirmen, die eng mit der Politik verbandelt sind. Wie groß das Problem ist, das sei aber schwer zu sagen, so Suomalainen:
Es ist schwer zu beweisen. Es ist manchmal auch eine Art Kultur: Ok, in dieser Firma haben wir immer alle für Partei X gewählt. Deshalb wählen wir sie auch jetzt. Die Wähler fühlen sich vielleicht gar nicht unter Druck, sie glauben das ist normal. Da sollten sich vielleicht auch die Wahlkämpfer mehr drauf konzentrieren: Man muss nicht für seinen Chef wählen.
Aggressiver Wahlkampf
Der vergangene Wahlkampf war vor allem eines: aggressiv. Wie die OSZE feststellte, war der Ton oft rau und Politiker beschimpften sich gegenseitig. Der sozialistische Präsident und die von ihm eingesetzte Übergangsregierung hatten demnach selbst in den Wahlkampf eingegriffen und etwa die Vorgängerregierung für vermeintliche Fehler kritisiert. Insgesamt, so die Feststellung der OSZE, gebe es zu wenig Gesetze, die verhindern, dass Amtsträger ihre Ämter für den Wahlkampf nutzten. Um den aktuellen Stillstand in der Innenpolitik aufzulösen, fordert die Organisation die Parteien nun zu Kompromissen auf.
Wahlsieger abgetaucht
Die sind aber weit und breit nicht in Sicht. Die Parteien scheinen in eine Art Schockstarre verfallen zu sein: Wahlsieger Bojko Borissow hat sich seit der Wahl mit noch keinem Wort geäußert. Seine Partei GERB hat nach Auszählung aller Stimmen 25,3 Prozent der Wähler von sich überzeugt.
Abgetaucht: Wahlsieger und Ex-Premier Bojko Borissow, hier beim Verlassen des Wahllokals.
Keine Koalition in Sicht
Diverse Parteien erteilten Spekulationen eine Absage, sie könnten mit GERB koalieren. Zum Beispiel die Sozialisten. Eine in Medien diskutierte Koalition aus GERB, der Partei der türkischen Minderheit DPS und dem pro-europäischen Wahlbündnis "Demokratisches Bulgarien" (DB) lehnte der DB-Co-Vorsitzende Hristo Iwanow mit knappen Worten ab: "Eine Koalition in diesem vorgeschlagenen Format - mit GERB und DPS - ist ein Rezept zur Destabilisierung des Landes. An so etwas werden wir uns nicht beteiligen."
Und so ist in der Nationalversammlung keine stabile Mehrheit in Sicht. Spätestens wenn Präsident Rumen Radev den Wahlsieger Borissow aufruft, es mit einer Regierungsbildung zu versuchen, muss dieser sich zwar verhalten. Der Zeitpunkt ist aber noch offen. Auch der in diesen Tagen mächtige Präsident scheint es nicht eilig zu haben.
Rücktritt Borissows im vergangenen Jahr
Ex-Premier Borissow hatte das Land insgesamt gut zehn Jahre lang regiert, musste im vergangenem Jahr aber wegen Korruptionsskandalen und massiven Protesten zurücktreten. Die Anti-Korruptionspartei "Wir setzen den Wandel fort" (PP), die mit rund 20 Prozent zweitstärkste Kraft geworden war, schloss eine Koalition mit seiner GERB-Partei erneut aus. Auch mit der drittstärksten Partei, der DPS, will "Wir setzen den Wandel fort" nicht regieren. Die DPS hat sich die Interessen der türkischen Minderheit auf die Fahnen geschrieben, hat aber den Ruf, sich eher den Interessen von Oligarchen zuzuwenden.
Drei Anläufe für Regierungsbildung
Voraussichtlich ziehen insgesamt mindestens sieben Parteien ins Parlament ein. Drei Anläufe bekommen sie, eine Regierung zu bilden. Als erstes dürfte der Präsident dafür GERB das Mandat erteilen, aber wenn alle Versuche scheitern sollten, wird Bulgarien weiter von einer Übergangsregierung gesteuert - und müsste dann wohl im Frühjahr erneut wählen.