Partei von Ex-Regierungschef Borissow Konservative bei Parlamentswahl in Bulgarien vorn
Zum sechsten Mal innerhalb von drei Jahren hat Bulgarien ein neues Parlament gewählt. Ersten Hochrechnungen zufolge hat die konservative Gerb-Partei von Ex-Regierungschef Borissow gewonnen. Trotzdem könnte es bald wieder Neuwahlen geben.
Bei der parallel zur Europawahl abgehaltenen Parlamentswahl in Bulgarien ist die konservative Partei des ehemaligen Regierungschefs Bojko Borissow laut ersten Hochrechnungen stärkste Kraft geworden. Die Gerb-Partei errang demnach zwischen 23,5 und 25,2 Prozent der Stimmen.
Auf Platz zwei landete mit zwischen 16 und 17,6 Prozent der Stimmen überraschend die als Bewegung für Rechte und Freiheiten der türkischen Minderheit gegründete DPS.
Bis März mitregierende PP-DB abgeschlagen
Jeweils etwa 14 Prozent errangen laut den Hochrechnungen sowohl das bis März in einer Koalition mit Gerb-SDS regierende, ebenso prowestliche liberal-konservative Bündnis PP-DB als auch die prorussische, EU-skeptische und nationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt).
Angesichts des massiven Stimmenverlusts schrieb der Co-Vorsitzende der PP, Kiril Petkow, auf Facebook, man werde jetzt "starke Opposition" sein.
Sieben Parteien werden den Hochrechnungen zufolge ins neu gewählte Parlament in Sofia einziehen - eine mehr als bei der Wahl im April 2023. Die auf nationaler Ebene bisher völlig unbekannte, im Nordosten Bulgariens als regionale Partei entstandene populistische Welitschie (Herrlichkeit) konnte auf Anhieb die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament überwinden.
Schwierige Regierungsbildung erwartet
Für die Wähler und Wählerinnen war es bereits die sechste Parlamentswahl binnen drei Jahren. Entsprechend deutet die von Meinungsforschungsinstituten genannte niedrige Wahlbeteiligung von etwa 30 Prozent auf eine Wahlmüdigkeit in der Bevölkerung hin.
Im Wahlkampf hatte Borissow die Bildung einer Koalition in Aussicht gestellt, mit der die jahrelange politische Instabilität in dem Land beendet werden soll. Als möglichen Partner dafür brachte sich bereits die Partei der türkischen Minderheit DPS ins Gespräch.
Experten zufolge dürfte sich die Regierungsbildung aber schwierig gestalten. Sie halten es daher für wahrscheinlich, dass für den Herbst erneut Neuwahlen angesetzt werden müssen. In diesem Fall würden sich im ärmsten EU-Land die Reformen, die Voraussetzung für die Freigabe von EU-Mitteln und eine Vollmitgliedschaft Bulgariens im Schengenraum sind, weiter verzögern.
Koalition zerbrach nach neun Monaten
Bulgarien befindet sich seit Jahren in einer politischen Krise. Mehrere Wahlen führten zu zersplitterten Parlamenten, in denen keine Partei in der Lage war, eine funktionierende Regierung zu bilden. Die Gerb-Partei hatte Bulgarien fast ununterbrochen von 2011 bis 2021 regiert, wurde aber nach massiven Protesten wegen Korruptionsvorwürfen 2020 zunehmend isoliert.
Das Reformbündnis PP-DP arbeitete zuletzt jedoch mit der Gerb zusammen. So vereinbarten sie etwa, dass das traditionell russlandfreundliche Bulgarien die Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs unterstützt. Nach nur neunmonatiger Zusammenarbeit überwarfen sich PP-DP und Gerb im April aber im Streit über eine wichtige Justizreform und andere Reformvorhaben.
Gerb-SDS auch bei Europawahl stärkste Kraft
Borissows Mitte-Rechts-Bündnis gewann nach einer Hochrechnung von Gallup International Balkan auch die parallel zur Parlamentswahl laufende Europawahl. Demnach kam sie - ähnlich wie auf nationaler Ebene - auf etwa 24,5 Prozent der Stimmen. Danach würde Gerb-SDS etwa fünf EU-Parlamentarier stellen.
Jeweils drei EU-Parlamentarier werden laut Hochrechnung PP-DP, Waraschdane und DPS nach Brüssel schicken. Die Sozialisten (BSP) werden der Hochrechnung zufolge zwei EU-Parlamentariern entsenden, die populistische ITN (Es gibt so ein Volk) einen EU-Abgeordneten. Bulgarien hat im Europaparlament 17 Mandate.