EU-Kommissarin zu Affenpocken "Keine Zeit für Selbstzufriedenheit"
EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides hat wegen der rasanten Ausbreitung der Affenpocken einen Brandbrief an die zuständigen Minister der EU-Staaten geschickt. Europa sei das Epizentrum entdeckter Fälle, heißt es in dem Schreiben.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat die Gesundheitsminister in einem Brandbrief zu entschiedeneren Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Affenpocken aufgefordert. Die Europäische Union sei "das Epizentrum entdeckter Fälle", heißt es in dem Brief.
"Es ist keine Zeit für Selbstzufriedenheit, und wir müssen weiter zusammenarbeiten, um den Ausbruch zu kontrollieren." Es sei unter anderem wichtig, dass die EU-Staaten solide Systeme zur Überwachung der Lage und zum Melden neuer Fälle hätten. Daran habe es zu Beginn der Corona-Pandemie gefehlt. Eine effektive Kontaktnachverfolgung sowie gegebenenfalls Isolation könnten zudem dabei helfen, den Ausbruch zu kontrollieren.
Weltweit mehr als 18.000 Fälle
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden weltweit mehr als 18.000 Fälle von Affenpocken aus 78 Ländern gemeldet, die meisten davon in Europa. Die WHO hatte den Ausbruch der Krankheit bereits am Wochenende zu einer "Notlage von internationaler Tragweite" erklärt.
Sowohl WHO als auch Kyriakides betonen, dass sich jeder anstecken könne. "Neben der Übertragung durch Sexualkontakte können Affenpocken auch in Haushalten durch engen Kontakt zwischen Menschen übertragen werden, etwa durch Umarmungen und Küsse, sowie über kontaminierte Handtücher oder Bettwäsche", erklärte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Bewusstsein schärfen - "ohne Panik oder Stigmatisierung"
Bisher seien 98 Prozent der außerhalb Afrikas gemeldeten Fälle Männer, die Sex mit Männern haben. Tedros forderte dazu auf, die Zahl der Sexualpartner zu reduzieren und die Kontaktdaten mit neuen Partnern auszutauschen. "Dies ist ein Ausbruch, der gestoppt werden kann", sagte Tedros. Der beste Weg, dies zu tun, sei das Risiko einer Ansteckung zu verringern. "Das bedeutet, dass man für sich selbst und andere sichere Entscheidungen trifft."
Kyriakides erklärte, am wichtigsten sei aber wohl die öffentliche Kommunikation über Risiken. Diese solle verstärkt werden, "insbesondere um das Bewusstsein zu schärfen - ohne Panik oder Stigmatisierung zu verursachen". Das Virus werde derzeit umbenannt, um zu verhindern, dass der Name diskriminierend verwendet werde, sagte WHO-Notfalldirektor Mike Ryan.
Genügend Impfstoff vorhanden
Kyriakides verweist in ihrem Brandbrief auf die Verfügbarkeit medizinischer Gegenmaßnahmen. Schon jetzt seien aus dem EU-Budget mehr als 160.000 Dosen Impfstoff des Unternehmens Bavarian Nordic gesichert worden. Weitere Käufe des Impfstoffs sowie des Medikaments Tecovirimat würden vorbereitet.
Die WHO geht davon aus, dass weltweit 5 bis 10 Millionen Impfstoffdosen benötigt werden, um Hochrisikogruppen vor einer Ansteckung zu schützen. Es stünden etwa 16 Millionen Dosen des zugelassenen Impfstoffs zur Verfügung, allerdings nur in großen Mengen, so dass es mehrere Monate dauern würde, sie in Fläschchen abzufüllen.
Solange die Vorräte knapp seien, sollten Länder, die über Vorräte verfügen, den Impfstoff auch anderen Ländern zur Verfügung stellen.
WHO empfiehlt derzeit keine Massenimpfungen
Derzeit empfiehlt die WHO die Impfung nur für Hochrisikogruppen. Da es mehrere Wochen nach der zweiten Impfdosis dauere, bis der volle Schutz erreicht sei, sollten bis dahin andere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
Bis Mai dieses Jahres waren Affenpocken bei Menschen nur in wenigen Länder in Afrika bekannt. Die Krankheit verursacht in der Regel leichte bis mittelschwere Symptome, darunter Fieber, Müdigkeit und schmerzhafte Hautläsionen, die innerhalb weniger Wochen abklingen. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut (RKI) bisher 2459 Fälle gemeldet worden.