Berufung im Fall Gershkovich Kaum eine Chance
Der US-Reporter Evan Gershkovich hat gegen seine Inhaftierung Berufung eingelegt. Doch dass er damit Erfolg haben wird, ist unwahrscheinlich - denn Russland hat wohl andere Pläne.
Für den "Hype westlicher Medien und US-amerikanischer Behörden" um Evan Gershkovich hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums betont kein Verständnis.
"Die von unseren Geheimdiensten jetzt erhobenen Anschuldigungen beziehen sich ja nicht auf seine journalistischen Aktivitäten, sondern auf Aktivitäten, die kein Journalismus sind", so ihre Logik. Für Maria Sacharowa steht auch ohne juristische Aufarbeitung des Falls fest, dass der Korrespondent des "Wall Street Journal" unter dem Deckmantel des Journalismus spioniert hat.
Fall "streng geheim"
Schließlich, so die offizielle Standardbegründung bei Nachfragen, sei der 31-Jährige auf frischer Tat ertappt worden. Wobei und unter welchen Umständen, bleibt offen. Der Fall wurde als "streng geheim" eingestuft.
In den russischen Staatsmedien hieß es lediglich, dass er für die US-Regierung spioniert habe: "Nach Angaben der Geheimdienste handelte er auf Anweisung von amerikanischer Seite und sammelte Informationen über die Aktivitäten eines der Rüstungsunternehmen, die unter das Staatsgeheimnis fallen."
"Gefangenenaustausch nicht ausgeschlossen"
Der in Moskau arbeitende Journalist war Ende März in Jekaterinburg festgenommen und nach Moskau gebracht worden. Ein Gericht ordnete Untersuchungshaft bis Ende Mai an - eine Entscheidung, gegen die Gershkovichs Anwälte nun in Berufung ging.
Dass sie damit Erfolg haben werden, gilt als unwahrscheinlich. Zum einen, weil inzwischen Anklage wegen Spionage erhoben wurde. Zum anderen, weil offenbar längst schon weiter gedacht und geplant wird.
Grundsätzlich, erklärte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow, sei ein Gefangenenaustausch nicht ausgeschlossen. Er könne aber erst in Betracht gezogen werden, wenn es ein Gerichtsurteil gebe. Will sagen: einen Prozess. Und eine Verurteilung.
Erstes Mal Zugang von US-Diplomaten
Dem Reporter, der alle Anschuldigungen kategorisch zurückweist, drohen bis zu 20 Jahre Haft. Er halte sich tapfer, fühle sich gut, twitterte die US-Botschafterin in Moskau gestern. Es war das erste Mal, dass US-amerikanischen Diplomaten Zugang zu ihm gewährt wurde.
Die Botschafterin appellierte noch einmal an die Behörden, den Korrespondenten sofort freizulassen. Bislang aber sind alle internationalen Appelle, alle Verweise darauf, dass Journalismus kein Verbrechen sei, ungehört verhallt.
Strafen wie zu Stalin-Zeiten
So wie auch in anderen Fällen. Zum Beispiel beim russischen Journalisten Iwan Safronow, der wegen Hochverrats zu 22 Jahren Straflager verurteilt worden ist.
Es sind drakonische Strafen, die russische Gerichte derzeit verhängen. Strafen, die Menschenrechtler wie Oleg Orlow von Memorial mit denen aus Stalin-Zeiten vergleichen. "Sie haben jede Scham abgelegt", sagt Orlow. "Sie machen, was sie wollen. Sie zeigen ganz offen, dass es kein Recht mehr gibt. Das Gesetz ist Willkür."
Trauriger Höhepunkt der Entwicklung
Einer der traurigen Höhepunkte ist das gestrige Urteil gegen den Journalisten und Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa, der zu 25 Jahren Straflager unter erschwerten Bedingungen verurteilt wurde. Unter anderem wegen Hochverrats. Auch dieser Prozess fand hinter verschlossenen Türen statt. Auch seine Anwälte werden in Berufung gehen.
Hoffnung, dass das in diesem oder im Fall Gershkovich etwas ändert, hat allerdings niemand.