Michael Barnier und Emmanuel sprechen miteinander.
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Barnier wird Premierminister Le Pen hat wieder alle Trümpfe in der Hand

Stand: 05.09.2024 18:54 Uhr

Das Linksbündnis hatte in Frankreich die meisten Sitze gewonnen. Präsident Macron ernannte nun aber den Konservativen Barnier zum Premier. Tatsächlich eine paradoxe Situation - die vor allem dem rechten RN von Le Pen nutzt.

Eine Analyse von Julia Borutta, ARD Paris

Es hagelt erboste Botschaften: "Ein Stinkefinger für die Franzosen", "wollen die uns veräppeln?", "Demokratieverweigerung auf ihrem Höhepunkt" - diese Zeilen stammen von den politischen Anführern des Linksbündnisses. Allesamt sind fassungslos, dass Präsident Emmanuel Macron einen Premier aus den Reihen der konservativen Republikaner ernannt hat, und nicht aus den Reihen des Linksbündnisses NFP. Das Bündnis hatte bei den Neuwahlen im Juli die meisten Sitze errungen.

"Die, die uns gewählt haben, dachten, es würde sich etwas ändern: mehr Respekt für die Sozialpartner, für das Parlament, die Wähler, weniger von oben herab regieren, weniger Missachtung", kritisierte Marine Tondelier von den Grünen. Mit der Wahl von Michel Barnier sei in dieser Hinsicht das mit Abstand schlechtestes Zeichen gesetzt worden.

Republikanische Ernennung trotz Niederlage

Dass sich Präsident Macron für den konservativen Republikaner Barnier entschieden hat, erscheint in der Tat paradox. Zwar ist der mehrfache Minister und ehemalige Binnenmarktkommissar, der für die EU den Brexit verhandelte, ein erfahrener Politiker. Doch erstens hatte sich seine Partei nicht an dem Block gegen den rechtsnationalistischen Rassemblement National (RN) beteiligt, zu dem Macron selbst aufgerufen hatte. Und die Republikaner haben bei der Wahl zweitens eine krachende Niederlage eingefahren.

Jean-Luc Melenchon, Wortführer der Linkspartei LFI, rief deshalb umgehend zu einer großen Demonstration am Samstag auf und erklärte: "Die Wahl ist dem französischen Volk gestohlen worden. Die Botschaft des Wahlergebnisses wurde geleugnet." Frankreich habe jetzt einen neuen konservativen Premierminister mit Duldung und vielleicht sogar auf Vorschlag des (RN). "Obwohl wir doch alles getan hatten, um einen Sieg des RN zu verhindern", so Melenchon.

Le Pen zollt Barnier Anerkennung

In der Tat hat die Partei Marine Le Pens Präsident Macron zugesichert, vorerst nicht gegen die Regierung Barniers vorgehen zu wollen. Le Pen fand anerkennende Worte für Barnier. Er sei ein Mann, der es verstehe, mit allen politischen Lagern in den Dialog zu treten, auch mit dem RN. Dies sei wichtig, um Kompromisse zu finden. "Wir erleben eine chaotische Situation. Wir werden sehen, ob es Herrn Barnier gelingt, wenigstens dafür zu sorgen, dass der Haushalt ausgeglichen werden kann."

Am Ende, so scheint es, sind die Verlierer der Wahl die Gewinner und Marine Le Pen hat weiter alle Trümpfe in der Hand. Denn ihre Partei ist das Zünglein an der Waage. Nur wenn Barnier es schafft, den RN einzubinden, kann er ein Misstrauensvotum der Linken überstehen.