Debatten über Klimaschutz und Wirtschaftspolitik EU-Chefs beginnen Gipfel-Beratungen
EU-Gipfel sind selten von ungetrübter Harmonie geprägt, und auch diesmal warten auf die Teilnehmer zähe Verhandlungen. Beim Klimaschutz drängt Berlin auf Abstriche, um energieintensive Betriebe zu schützen. Und auch bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise gibt es viele Dissonanzen.
In Brüssel versammeln sich zur Stunde die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, um auf ihrem regelmäßigen Spitzentreffen über Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Wirtschaftskrise zu debattieren.
In beiden Fragen stehen die Gipfelteilnehmer vor harten Debatten. Beim Klimaschutz will die französische Ratspräsidentschaft das Gesetzespaket, mit dem bis zum Jahr 2020 der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 20 Prozent gesenkt werden soll, bis Jahresende unter Dach und Fach bringen. Allerdings hat die Wirtschaftskrise den Streit um milliardenschwere Auflagen für die Industrie verschärft.
Allianz für Abstriche
Deutschland, Italien und Polen fordern starke Abstriche bei den Klimaschutzauflagen für Industrie und Kraftwerke, die die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung fürchtet, dass energieintensive Industrien auswandern könnten und verlangt deshalb, ihnen beim Emissionshandel Verschmutzungsrechte gratis einzuräumen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass die Verhandlungen schwierig werden dürften. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi drohte mit einem Veto. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy appellierte an die Kompromissbereitschaft aller Teilnehmer. Die Verhandlungen in Brüssel haben auch Einfluss auf den UN-Klimagipfel in Posen, wo Entwicklungs- und Schwellenländer auf ein größeres Engagement der Industrienationen dringen.
Der EU-Gipfel berät außerdem über das von der EU-Kommission vorgeschlagene 200 Milliarden Euro schwere Konjunkturprogramm, mit dem die Wirtschaft vor einer langen schweren Rezession bewahrt werden soll. Die Bundesregierung unterstütze den Plan grundsätzlich, sagte Merkel. Deutschland sei sich seiner Verantwortung als größte Wirtschaftsmacht Europas bewusst und werde schauen, was es noch tun könne.
In Frankreich und Großbritannien erwartet man aber größere Anstrengungen von Deutschland, die Rezession zu bekämpfen und wirft der Bundesregierung kaum verhohlen Kleinmut vor. Sarkozy und der britische Premier Brown hatten sich am Wochenanfang demonstrativ in London getroffen. Dass Merkel zu dieser Begegnung nicht geladen worden war, wurde allgemein als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Politik der Kanzlerin gewertet. Umgekehrt griff Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die Steuerpolitik der britischen Regierung in einem Interview ungewohnt offen an, was in London die Verärgerung über Berlin noch verstärkt haben soll.