Fortschrittsbericht zur EU-Erweiterung Lob für Kroatien, Tadel für die Türkei
Wer darf in die EU? Auskunft darüber gibt der Fortschrittsbericht, den EU-Kommissar Rehn in Brüssel vorgestellt hat. Kroatien darf sich demnach Hoffnung auf eine baldige Mitgliedschaft machen, die Türkei wird zu weiteren Reformen aufgefordert.
Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Wenn Oli Rehn in Brüssel seine Fortschrittberichte für die EU-Beitrittsaspiranten vorstellt, dann wirkt das ein wenig wie die Zeugnisübergabe am Schuljahresende - denn nichts anderes sind die Forschrittbereichte des Erweiterungskommissars.
Kein Blankochek für Kroatien
Die besten Noten bekommt seit Jahren Kroatien. Das Balkanland macht sich deshalb berechtigte Hoffungen auf einen baldigen Beitritt. Die Regierung in Zagreb dürfe dies jedoch nicht als Blankoscheck verstehen, mahnt Rehn. Es sei eine Ermunterung für weiteren Reformen. Und weiter: "Wir machen den Zeitplan für einen Beitritt von den Fortschritten abhängig", so Rehn.
Verbrechen in Mafiamanier
Kroatien wird derzeit von einer beispiellosen Welle der Gewalt heimgesucht. Zuletzt wurde ein kritischer Journalist auf offener Straße erschossen, davor die Tochter eines Ermittlers - beides Morde nach Mafiamanier. Brüssel hält dennoch weiter am Ziel fest, Kroatien im Jahr 2010 zum 28. Mitglied der Europäischen Union zu machen. Ein ehrgeiziges Ziel angesichts der jüngsten Vorfälle.
Mehr Reformen von der Türkei gefordert
Gegen viel mehr Sand im Erweiterungs-Getriebe muss dagegen die Türkei kämpfen. Sie bekommt erneut die Leviten gelesen für ihre nachlassenden Modernisierungsbemühungen. Zwar erkennt Erweiterungskommissar Rehn an, dass die mehr als einjährige innenpolitische Krise die Regierung viel Zeit und Kraft gekostet hat. Sein Fazit lautet dennoch: Ausreden suchen gilt nicht mehr.
Auf türkischer Seite zu klagen, dass die EU kein Beitrittsdatum nennt, helfe nicht. "Der Schlüssel liegt vielmehr darin, sich hinzusetzen, Reformen zu beschließen und die Verwaltung zu ermutigen, diese Reformen umzusetzen", fasst der Kommissar die Forderungen Brüssels zusammen.
Strategische Rolle
Eingeschränkte Meinungsfreiheit, die anhaltende Diskriminierung von Christen oder die fehlende Gleichberechtigung - das sind nur drei Felder, die von der Regierung in Ankara noch beackert werden müssen. Gleichzeitig betonte Rehn aber auch die strategische Rolle der Türkei und lobte ihre Bemühungen, in der Region eine Vermittlerrolle zu spielen.
Das ist Teil zwei der Botschaft aus Brüssel: Die EU kann aus Sicht der EU-Kommission auf die Türkei nicht verzichten. Die Erweiterung wird hier ganz nüchtern als strategische Notwendigkeit gesehen, um in den Nachbarschaft für Stabilität zu sorgen.