EU ringt um Geschlossenheit Wie umgehen mit Putin?
Der EU-Gipfel wird sich heute wieder einmal mit Russland befassen: Es soll eine Erklärung zum Angriff von Salisbury geben. Für Stirnrunzeln sorgt die Gratulation von Kommissionschef Juncker an Putin.
Russlands Präsident Wladimir Putin gratulieren oder lieber nicht - diese Frage beschäftigte ganz offensichtlich nicht nur die Berater von US-Präsident Donald Trump, sondern auch die EU-Spitzen-Vertreter. Und dieses Nachdenken führte zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.
"Nach dem Angriff von Salisbury bin ich nicht in der Stimmung, Präsident Putins Wiederernennung zu feiern", erklärte der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk. Ganz anders hingegen Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Wobei man in Brüssel immer noch rätselt: Was um Himmels Willen hat Juncker genau gemeint, als er in seinem Glückwunschbrief dafür warb, gemeinsam mit Russland eine "kooperative, paneuropäische Sicherheitsordnung aufzubauen?"
Auch die Nachfrage bei dessen Chefsprecher förderte wenig Erhellendes zutage: "Eine Sache habe ich in meinem Job in den letzten dreieinhalb Jahren gelernt: Lege nie das aus, was der Präsident sagt", erklärt der.
NATO und USA raus aus Europa?
Für Unruhe jedenfalls hat der Juncker-Brief gesorgt: "Dies ist nicht die Zeit für Glückwünsche", twitterte erbost der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt. Und die Außenpolitik-Expertin bei der "Brookings Institution", Constanze Stelzenmüller, liest in Junckers Werben für eine "pan-europäische Sicherheitsordnung" die verschlüsselte Botschaft: "Lasst uns die USA und die NATO aus Europa rausschmeißen", wie sie dem ARD-Studio Brüssel sagte.
Jedenfalls ist unübersehbar, dass die EU - wieder einmal - mit sich selbst darum ringt, wie man eigentlich mit Russland umgehen soll: "Russland wird ein schwieriger Partner bleiben. Aber Russland wird auch gebraucht, wenn es um die Lösung der großen internationalen Konflikte geht und daher wollen wir im Dialog bleiben", befand der neue deutsche Außenminister Heiko Maas diese Woche in Brüssel.
Maas umschrieb damit sowohl das Dilemma, in dem die EU mit Putin steckt, als auch den bisher verfolgten Lösungsweg: Der aus einem wohldosierten Mix aus Druck und Dialog - aus Sanktionen und Gesprächsangeboten - besteht. Nur warnen Experten immer wieder: Etwas bewirken könnten die Europäer politisch gegenüber Moskau nur, wenn sie sich nicht spalten lassen und zusammenhalten.
Gemeinsame Haltung - Fehlanzeige
Auch im Fall des Nervengiftangriffs auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien hat sich die Frage der EU-Einig- oder Uneinigkeit aufs Neue gestellt: "Für mich ist klar, dass wir auf künftige Attacken besser vorbereitet sein sollten. Auch durch die Zusammenarbeit mit der NATO. Und wir müssen unsere Widerstandskraft angesichts hybrider Bedrohungen stärken - wozu das Untergraben von Vertrauen in unsere Demokratien und die Einmischungen in Wahlen zählen", sagt EU-Ratspräsident Tusk.
"Nicht die Zeit für Glückwünsche" - EU-Ratspräsident Tusk ist auf Putin nicht sonderlich gut zu sprechen.
Die Außenminister der Europäischen Union taten sich diese Woche schwer, eine gemeinsame Haltung zum Giftangriff zu finden. Die Erklärung fiel in der Wortwahl weniger scharf aus als geplant und verzichtete darauf, Russland eindeutig die Schuld zuzuschreiben. Und EU-Kommissionschef Juncker erwähnte in seinem Brief an Putin den Vorfall gar nicht erst. Hinzu kommt, dass aus den letzten Wahlen in Österreich und Italien pro-russische Parteien gestärkt hervorgegangen waren. Die EU-Einigkeit gegenüber Putin aufrecht zu erhalten, was bei den Sanktionen bislang gelang, dürfte in Zukunft nicht einfacher werden.