Geplante Reiseerleichterungen für die Türkei Was die Visa-Freiheit bedeutet
Heute wird die EU-Kommission wohl die Visa-Freiheit für Türken empfehlen. Das sorgt für Aufregung - dabei gibt es sie schon für viele Länder mit schwieriger politischer Lage. Einen Ansturm türkischer Einwanderer halten Experten für unwahrscheinlich.
Wer Visa-Freiheit genießt und einen gültigen Reisepass hat, darf ohne weitere bürokratische Hürden in den sogenannten Schengenraum einreisen. Dies gilt für Geschäftsleute ebenso wie für Touristen oder einen Familienbesuch. Die Aufenthaltsdauer ist allerdings auf 90 Tage pro Halbjahr begrenzt.
Die Befreiung von der Visa-Pflicht, wie sie jetzt die Türkei fordert, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Mehrere hundert Millionen Menschen aus mehr als 50 Ländern der Erde benötigen jetzt schon keine extra Erlaubnis für einen solchen Kurzaufenthalt in der EU. Die Liste reicht von den USA über Kolumbien bis nach Südkorea. Auch EU-Beitrittskandidaten wird üblicherweise dieses Recht eingeräumt, derzeit zum Beispiel Serbien, Albanien und Montenegro. Geplant sind auch Abkommen mit Georgien, der Ukraine und dem Kosovo.
Mittlerweile gehören 23 EU-Mitglieder sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein zum Schengen-Raum. Nicht - oder nicht vollständig dabei - sind die EU-Länder Irland, Bulgarien, Rumänien und Zypern.
72 Voraussetzungen müssen erfüllt werden
Der Türkei hat die EU das visafreie Reisen schon lange in Aussicht gestellt. Seit Jahren wird darüber verhandelt. Als Starttermin war zuletzt der 1. Oktober 2016 angepeilt.
Die Flüchtlingskrise hat das nun beschleunigt: Im EU-Türkei-Pakt vom 18. März wurde vereinbart, dass türkische Staatsbürger schon ab dem 1. Juli kein Visum mehr brauchen. Vorausgesetzt, dass Ankara bis dahin alle 72 politischen und rechtlichen Kriterien erfüllt. Diese decken insgesamt fünf Bereiche ab, von fälschungssicheren Pässen über Fragen der Grundrechte und des Datenschutzes bis hin zur Rücknahme von Migranten ohne Aufenthaltsrecht.
90 Prozent der Türken haben gar keinen Reisepass
Umstritten ist die Frage, ob künftig deutlich mehr Türken zu uns kommen werden als bisher. Aktuell beantragen jedes Jahr zum Beispiel 30.000 von ihnen ein Visum, um ihre Verwandten in Deutschland zu besuchen oder geschäftlich hierher zu reisen. Mit Blick auf die labile innenpolitische Lage in der Türkei befürchten manche Politiker, die Zahl illegaler Einwanderer könnte steigen, oder mehr Kurden aus den Unruheprovinzen in der Osttürkei könnten in der EU Asyl suchen.
Experten halten dies jedoch für ein überschaubares Problem. Zum einen besitzt derzeit nur knapp ein Zehntel der 78 Millionen Türken überhaupt einen Reisepass. Zum anderen sieht jedes Visa-Abkommen eine Art "Notbremse" vor. Danach könnte die EU die Visa-Pflicht jederzeit wieder einführen, sollte die Grenzöffnung negative Folgen für die innere Sicherheit oder die Sozialsysteme haben.