EU-Gipfel zum Krim-Konflikt Auf der Suche nach dem Minimalkonsens
Eine militärische Antwort auf den Krim-Konflikt kommt für die EU nicht in Frage. Der heutige Gipfel soll mit Sanktionen ein Signal an Russland senden. Doch die Interessen in der EU gehen so weit auseinander, dass am Ende nur ein magerer Kompromiss stehen dürfte.
Die Europäer haben die Lippen gespitzt. Jetzt müssen sie auch pfeifen. "Dadurch, dass man sich auf der obersten Ebene exponiert, die man überhaupt zur Verfügung hat, erzeugt man eine Erwartungshaltung - da muss jetzt was kommen", sagt Jan Techau und beschreibt damit die nicht gerade komfortable Ausgangslage für den heutigen Gipfel. Denn wie der Europa-Direktor der Carnegie-Stiftung gleich hinzufügt: Viel haben die Europäer nicht im Köcher: "Das Instrumentarium der EU, um Druck auf Russland auszuüben, ist sehr, sehr schwach, sehr, sehr gering", sagt Techau.
Militäroption scheidet aus
Die stärkste Option fällt sowieso von vornherein aus. "Militärische Optionen gibt es keine für den Westen, nicht einmal für die Amerikaner", sagt Techau. "Es ist ganz klar: Keiner wird für die Ukraine, für die Krim in den Krieg ziehen. Und das weiß natürlich auch Präsident Putin, das wusste er schon lange vorher."
Konkret benannt haben die EU-Außenminister an Sanktionen bisher nur die Aussetzung von bilateralen Verhandlungen mit Russland. Dabei geht es um ein neues Partnerschaftsabkommen und um Visaerleichterungen. Dass man damit Moskau nicht beeindrucken kann, ist den europäischen Politikern wohl selbst klar.
Oligarchen den Finanzhahn zudrehen
Angedeutet wurden auch sogenannte gezielte Maßnahmen. Damit sind in der Regel Einreiseverbote und Kontensperrungen für exponierte Vertreter und für Unternehmen des zu treffenden Landes gemeint. So liegt der Großteil der russischen Öl- und Gasmilliarden auf westlichen Banken. Den Oligarchen den Finanzhahn zuzudrehen, könnte schon mehr Wirkung zeigen.
Empfindlich treffen würde Russland natürlich ein Boykott der Gaslieferungen. "Das heißt, da gäbe es jedenfalls theoretisch einen Hebel", sagt Techau. "Aber wenn man diesen Hebel benutzen wollte, würde man seinen eigenen Banken ins Fleisch schneiden und seine eigenen ökonomischen Interessen möglicherweise sehr stark schädigen." Vor diesem Hintergrund überlegten Politiker natürlich, ob das die richtige Maßnahme sei.
Alle EU-Staaten haben Eigeninteressen
Den Beweis für diese These Techaus lieferte gerade unfreiwillig die britische Regierung. In einem geleakten Dokument fordert sie eine starke Reaktion auf das russische Vorgehen. "Aber nur, solange das nicht ihren Finanzmarkt gefährdet", sagt Techau. "Das ist eine klassische Position, wie man sie in fast allen europäischen Mitgliedsstaaten trifft. Die Italiener haben Energieinteressen, die Deutschen glauben, dass der Dialog immer weitergehen muss." Die Positionen in Europa gingen weit auseinander.
Deshalb gehe es beim heutigen Gipfel in Sachen Sanktionen auch nur um einen Minimalkonsens, wichtiger sei die symbolische Wirkung. "Es geht da mehr um die Einigkeit, mehr darum, die Familie zusammenzuhalten", glaubt Techau.
Die Forderung: Neue Regierung in Kiew stützen
Angesichts ihrer Schwächen bei der kurzfristigen Krisenbewältigung müssten die Europäer versuchen, den Konflikt wieder in Kanäle zu bringen, in denen sie ihre Stärken ausspielen könnten. "Was getan werden kann, ist jetzt diese neue Regierung in Kiew zu stützen und zu stabilisieren, dass das Land nicht bankrott geht, dass es kein 'failed state' wird, in dem Polizisten und Feuerwehrleute und Ärzte nicht mehr bezahlt werden", sagt er.
Darüber hinaus geht es vor allem darum, dem Land auch eine langfristige Perspektive zu geben. Und zumindest da kann der Gipfel ein Zeichen setzen und das von der EU-Kommission vorgeschlagene Hilfs- und Kreditpaket in Höhe von elf Milliarden Euro absegnen.