Beratungen über Sanktionen gegen Russland Macht die EU ihre Drohungen wahr?
Die EU könnte heute erstmals weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen. Betroffen wären nicht mehr nur Personen, sondern ganze Branchen wie die Rüstungsindustrie. Ein auch juristisch heikles Unterfangen.
Von Jakob Mayr, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Monatelang Drohungen, heute macht die EU vielleicht Ernst: Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Solche Strafmaßnahmen sind Gesetze wie andere EU-Verordnungen auch. Nur hat in diesem Bereich das Europäische Parlament nichts mitzureden. Vertreter der EU-Staaten beschließen einen Text, den Fachleute der Kommission vorbereiten.
Doch das dauert. Sanktionen müssen wie Gesetze juristisch wasserdicht sein. "Die Listungen, die wir vornehmen, müssen auch vor Gerichten Bestand haben. Das ist keine reine Exekutivmaßnahme. Insofern bedarf das einer sorgfältigen Überprüfung durch den juristischen Dienst", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Und wenn die nicht sorgfältig genug ausfällt, dann kassieren Gerichte den Beschluss, so wie Anfang Mai, als der Europäische Gerichtshof einer syrischen Bank Recht gab, die gegen EU-Sanktionen geklagt hatte.
Mehr als Kontensperrungen und schwarze Listen
In der Ukraine-Krise hat die EU Einzelpersonen die Konten gesperrt und die Einreise verweigert. Später kamen Unternehmen und Organisationen auf die schwarze Liste wie eine Hotelkette in Jalta und pro-russische Milizen. Seit dem Gipfel vor anderthalb Wochen bereitet die EU gezielt schärfere Maßnahmen vor. "Indirekt waren ja auch die personellen Listungen gewisse Wirtschaftssanktionen. Aber jetzt gehen wir in den wirtschaftlichen Bereich hinein", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am frühen Morgen des 17. Juli.
Später am gleichen Tag folgte der mutmaßliche Abschuss von Flug MH17 mit 298 Toten. Kurz danach bekräftigen die EU-Außenminister härtere Sanktionen: Russische Banken in Staatsbesitz dürfen keine Anleihen mehr platzieren. Rüstungsgeschäfte werden verboten und auch Verkäufe von Maschinen oder Computern nach Russland, die militärisch genutzt werden können. Russische Energieunternehmen sollen keine Ausrüstung mehr bekommen für Bohrungen in der Tiefsee oder in der Arktis. Bestehende Rüstungsverträge wie Frankreichs Milliardendeal mit Moskau zur Lieferung von Kriegsschiffen sind allerdings nicht betroffen.
Schriftliche Zustimmung der Staats- und Regierungschefs
Übers Wochenende hat die Kommission die entsprechenden Texte vorbereitet. "Jetzt sind die Mitgliedsstaaten am Zug", sagt Kommissionssprecher Jonathan Todd und meint damit die Botschafter aus den 28 Mitgliedsstaaten. Eigentlich wollten die Staats- und Regierungschefs einen so wichtigen und folgenreichen Beschluss selbst treffen, bei einem weiteren Gipfel in Brüssel. Aber EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat die Chefs um schriftliche Zustimmung gebeten, damit es schneller geht. Vielleicht auch, damit manche ihren Urlaub nicht unterbrechen müssen. Also beraten heute Vormittag die Botschafter über das Sanktionspaket. Wenn sie zustimmen, könnte es ab übermorgen wirken.