Vor Entscheidung über weitere Zulassung Hat Glyphosat eine Zukunft in der EU?
Glyphosat ist das meistbenutzte Unkrautvernichtungsmittel der Welt. Die Internationale Krebsforschungsagentur hält das Herbizid aber für möglicherweise krebserregend. Heute geht es um die Verlängerung der EU-Zulassung für zehn Jahre.
Um die erneute 10-jährige EU-Zulassung für das meistbenutzte Herbizid der Welt geht es heute in Brüssel. 40 Prozent der Ackerflächen in Deutschland werden mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat besprüht. Unter der Bezeichnung "Roundup" findet es der Hobbygärtner im Gartencenter und im Baumarkt.
Getreide in die Mühle, Stroh ist beinahe Sondermüll
"Dass es noch in den Baumärkten steht, ist eigentlich ein Skandal", meint Landwirt Martin Häusling. Für den grünen Europaparlamentarier steht fest, dass Glyphosat "so gefährlich ist, dass es nicht für jedermann zugänglich sein dürfte". Weder im Schrebergarten noch auf dem Acker hat das perfekt unkrautvernichtende Glyphosat aus Sicht von Biolandwirt Häusling etwas zu suchen.
Zu Recht sei die Glyphosat-Anwendung wegen seiner Gefährlichkeit auf öffentlichen Gehwegen verboten. Geradezu paradox findet Häusling die Tatsache, dass Europas Landwirte Glyphosat zur Unkrautvernichtung ins Getreide spritzen dürfen. Aber das glyphosathaltige Stroh müsse dann merkwürdigerweise fast wie Sondermüll behandelt werden. "Das Stroh, das übrig bleibt, dürfen die Bauern nicht verwenden", sagt Häusling. Wohl aber das Getreide. "Das Getreide dürfen sie umgehend danach zur Mühle fahren."
Verdacht auf krebserregende Wirkung
Rückstände des Herbizids finden sich mittlerweile nicht nur im Getreide, sondern auch in Muttermilch- und Urinproben - aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation WHO eine höchst beunruhigende Entdeckung. Denn die zur WHO gehörende Krebsforschungsagentur IARC geht aufgrund ihrer industrieunabhängigen Studien davon aus, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend für den Menschen ist.
"Wir haben das eben auch aufgrund der epidemiologischen Studien gesehen, dass Landwirte, die mit Glyphosat gearbeitet haben, ein erhöhtes Risiko für Lymphknotenkrebs aufwiesen", betont Kurt Straif von der internationalen Krebsforschungsagentur der WHO.
Deutsche Bewertung entscheidend für Zulassung
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin hat diese epidemiologischen Studien zwar berücksichtigt. Es kommt aber in puncto Krebsgefahr durch Glyphosat zu einer anderen Einschätzung als die Internationale Krebsforschungsagentur IARC. "Weil wir auch wesentlich mehr Studien als IARC in der Bewertung hatten", sagt Roland Solecki vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Über 1000 Studien, Dokumente und Veröffentlichungen hat das BfR geprüft. Wieviele davon von der Agro-Industrie initiiert und von ihr nahe stehenden Forschungsinstituten verfasst wurden, ist nicht bekannt.
"Das BfR macht da natürlich auch einen sehr guten Job", lobt denn auch Thoralf Küchler vom Glyphosat-Produzenten Monsanto die Berliner Behörde. Die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung ist für die EU-Zukunft von Glyphosat entscheidend. Denn von dem Gutachten aus Berlin ist auch die Europäische Aufsichtsbehörde für Lebensmittelsicherheit EFSA abhängig. Für eigene Studien hat Europas Lebensmittelaufsicht nämlich gar keine Mittel.
"Das ist der eigentliche Skandal", meint der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling. Wenn man Europas Vorsorgeprinzip ernst nehme, müsse Glyphosat vor dem Hintergrund des Krebsverdachts in der WHO-Studie eigentlich vom Markt verschwinden oder zumindest seine Nutzung stark eingeschränkt werden. Doch alles deutet darauf hin, dass Europas Lebensmittelaufsicht dem Votum des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung folgt und die Glyphosat-Zulassung verlängert wird - für weitere zehn Jahre.