EU-Kommission zu Flüchtlingen Die Quote soll kommen
Dem Sterben in Europa nicht mehr tatenlos zusehen - so lautet die Devise der EU-Kommission, die nun ihre neue Migrationsstrategie vorgestellt hat. Die Flüchtlinge sollen auf Europa verteilt werden. Eine Quote soll noch diesen Monat eingeführt werden.
Flüchtlinge sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig gerechter auf die einzelnen Mitgliedsländer der Europäischen Union verteilt werden. Noch vor Ende des Monats solle ein zeitlich befristetes Quotensystem für Menschen eingeführt werden, "die eindeutig internationalen Schutz in der EU benötigen". Das erklärte die Behörde bei der Vorstellung ihrer neuen Flüchtlings- und Migrationsstrategie. Ende des Jahres solle dann ein Gesetzesvorschlag für ein dauerhaftes Quotensystem folgen. Dieses würde immer dann greifen, wenn irgendwo in der EU auf einen Schlag sehr viele Migranten eintreffen.
Derzeit ist das Ungleichgewicht groß. Nach dem Dublin-Verfahren sollen Asylbewerber eigentlich in dem Land bleiben, in dem sie zuerst den Boden der EU betreten haben. Das überfordert Länder wie Italien oder Griechenland, wo besonders viele Bootsflüchtlinge ankommen.
Deutschland soll die meisten Flüchtlinge aufnehmen
In welche Länder wie viele Flüchtlinge geschickt werden, soll von mehreren Faktoren abhängig sein: der Einwohnerzahl, der Wirtschaftsleistung, der Arbeitslosenquote und der bisherigen Zahl der Asylbewerber.
Deutschland würde nach dem Willen der EU-Kommission die meisten Menschen aufnehmen, nämlich 18,4 Prozent, gefolgt von Frankreich (14,2 Prozent) und Italien (11,9 Prozent). Diese Zahlen beziehen sich auf die Migranten, die sich bereits in Europa aufhalten, die EU-Kommission teilte bislang jedoch nicht mit, um wie viele Menschen es dabei genau geht. Der Schlüssel würde alle EU-Staaten umfassen, mit Ausnahme Großbritanniens, Irlands und Dänemarks. Diese Länder sind nicht Teil der Aufstellung, weil sie in diesem Politikbereich nicht an europäischen Gemeinschaftsaktionen teilnehmen müssen.
EU plant zweite Sofortmaßnahme
Die EU-Kommission schlägt jedoch noch einen zweiten Quotenschlüssel vor - sie will zusätzlich auch Länder außerhalb Europas entlasten, die beispielsweise vielen Flüchtlingen aus dem syrischen Bürgerkrieg Zuflucht gewährt haben. Insgesamt sollen aus diesem Bereich in den kommenden zwei Jahren rund 20.000 Menschen in Europa aufgenommen werden, die - im Gegensatz zur anderen Quote - auf alle 28 EU-Staaten verteilt werden sollen. Demnach würden auf Deutschland 3086 Personen oder 15,43 Prozent entfallen. Frankreich stünde wiederum an zweiter Stelle mit 2375 Menschen (11,87 Prozent). Für Großbritannien empfiehlt die EU-Kommission 2309 Personen (11,54 Prozent).
Ungewiss, ob Quoten wirklich kommen
Doch ob diese beiden Quotenvorschläge der EU-Kommission tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, ist derzeit noch ungewiss. Denn sie können nur dann rechtsverbindlich umgesetzt werden, wenn die Mehrheit der Mitgliedsstaaten zustimmen. Und verschiedene Regierungen haben sich bereits ablehnend geäußert.
So stemmt sich beispielsweise Großbritannien weiter vehement gegen die Ideen. Innenministerin Theresa May sagte: "Wir können nicht etwas tun, das noch mehr Menschen dazu ermuntert, sich auf diese lebensgefährlichen Reisen zu begeben." Ziel müsse es sein, die Reisen der Menschen durch Transitländer zu verlangsamen, sie zu ermutigen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren oder ihnen zu helfen, in anderen Ländern außerhalb Europas ein besseres Leben zu beginnen, sagte May. Auch Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die baltischen Staaten lehnen das Vorhaben ab.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière begrüßte die Ideen im Grundsatz, stellte jedoch zugleich klar, dass damit bislang lediglich "die Diskussion über eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen nun auch auf europäischer Ebene eröffnet" sei. Nun müssten konkrete Gespräche folgen.
Ressourcen für "Triton" und "Poseidon" verdreifachen
Neben den Quotensystemen will die EU-Kommission zudem die Kapazitäten und Ressourcen für die Einsätze "Triton" und "Poseidon" der Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeer für 2015 und 2016 verdreifachen. Zudem soll verstärkt gegen Menschenschleuser vorgegangen werden. Dafür schlug die EU-Kommission Einsätze im Mittelmeer auf Grundlage der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU vor.
"Nicht tatenlos zusehen"
"Europa kann dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen", erklärte der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Die europäische Migrationsagenda, die noch weitere und langfristigere Schritte enthält, sei "die konkrete Antwort auf das dringende Gebot, Leben zu retten und die Länder an den EU-Außengrenzen mit beherzten Maßnahmen zu unterstützen", sagte Avramopoulos.