Die Türkei und die EU Ein schwieriger Partner
Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist - vorsichtig formuliert - kompliziert. Die Brüsseler Beschwerdeliste an die Regierung in Ankara ist lang. Doch in der Flüchtlingspolitik braucht man einander.
Der Schutz der Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei werde nicht funktionieren, ohne dass die Türkei nicht auch hier als Partner gewonnen werde, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich fest. Die Europäische Union braucht die Türkei in der Flüchtlingskrise. Denn die Türkei liegt auf der Transitroute zwischen dem Bürgerkriegsland Syrien und den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland und Bulgarien.
Ein Plan liegt auf dem Tisch, hört man aus EU-Kreisen. Danach sollen mit europäischem Geld sechs neue Auffanglager auf türkischem Boden gebaut werden - für bis zu zwei Millionen Menschen. Im Gegenzug will sich die EU offenbar dazu verpflichten, bis zu einer halben Million Flüchtlinge auf sicherem Weg nach Europa zu holen. Über diesen Plan soll heute mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gesprochen werden.
Ein guter Plan, findet der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Denn: "Wenn wir Herrn Erdogan nicht helfen, übrigens genauso wie dem Libanon und Jordanien, dann machen sich diese Menschen irgendwann auf den Weg nach Europa. Insofern, selbst wenn wir dort finanziell helfen, wird es immer noch günstiger sein, als wenn sich diese ganzen Menschen aufmachen nach Europa."
Gemeinsame Grenzkontrolle
Darüber hinaus soll es künftig eine gemeinsame Grenzkontrolle geben: Die türkische und die griechische Küstenwache sollen zusammen in der östlichen Ägäis patrouillieren. Koordiniert von der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Alle geretteten Flüchtlinge sollten zunächst in die Türkei zurückgebracht werden.
Seit dem Frühsommer machen sich täglich tausende Menschen von der türkischen Ägäis-Küste in Schlepperbooten auf den Weg zu den griechischen Inseln. Dutzende ertranken dabei. Wer es schafft, will von den Inseln aufs Festland, durch den Westbalkan bis in die EU-Länder Ungarn oder Kroatien, um von dort Richtung Nordwesten zu gelangen - vor allem nach Deutschland.
Kompliziertes Verhältnis
Doch die geplante Zusammenarbeit an Außengrenzen und in Auffanglagern kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis zwischen der EU und der türkischen Regierung kompliziert ist. Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Unabhängigkeit der Justiz - all das hält die Türkei nicht ein. Die Brüsseler Beschwerdeliste an Präsident Erdogan ist lang.
Nach Ansicht der Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms muss die EU nun ein Kunststück hinbekommen: "Die Europäische Union muss einerseits dafür sorgen, dass die Situation der Flüchtlinge wieder erträglicher wird." Anderseits müsse man dem türkischen Präsidenten Erdogan in Brüssel aber auch ganz klar sagen, dass die innere Eskalation, zu der sich der Präsident entschieden habe, die Rückkehr der militärischen Auseinandersetzung mit den Kurden, enden müsse.
Mehr als zwei Millionen Syrer haben in der Türkei Zuflucht gefunden, wie hier im Flüchtlingslager bei Sanliurfa.
Zwei Millionen geflüchtete Syrer in der Türkei
Die hohe Zahl der Flüchtlinge erhöht den Druck - auch auf türkischer Seite. Kein Land hat mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als die Türkei. Mehr als zwei Millionen Syrer und auch 200.000 Iraker fanden bislang in der Türkei Zuflucht. Durch die russischen Luftangriffe in Syrien drohen noch mehr Menschen in die Türkei zu kommen.
Wenn sich beide Seiten auf den Plan einigen, soll er bis zum nächsten EU-Gipfel in zwei Wochen ausgearbeitet und dann schnell umgesetzt werden. Auf dieses Weise soll das Chaos auf den griechischen Inseln und der Balkanroute unter Kontrolle gebracht werden. Vielleicht bis zum nächsten Frühjahr.