EU-Parlamentarier zur Türkei Warnung vor einer "Putinisierung"
Die Sorge im EU-Parlament ist groß, dass sich die Türkei immer weiter von Europa entfernt. Aus dem versuchten Putsch könnte ein Gegenputsch werden, eine "Putinisierung" drohe. Am Ende stünden die EU-Beitrittsbestrebungen auf dem Spiel.
In der EU sorgt man sich über einen der wichtigsten Nachbarn. Dies ist herauszuhören aus den Sätzen des Vorsitzenden im Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments, Elmar Brok, der gleich zu Beginn des Sonder-Treffens vor der Gefahr warnt, dass die Türkei sich angesichts der aktuellen Ereignisse weiter von Europa entferne. "Wenn ich sehe, dass offenbar jetzt schon ein Treffen mit Präsident Putin konkret geplant ist, dann hoffe ich nicht, dass das zu einem Festival der Autokraten wird", sagte Brok wörtlich.
20.000 Festnahmen und Entlassungen
Der EU-Erweiterungs-Kommissar Hahn rechnete vor: 8000 Festnahmen bei der Armee sowie 12.000 Entlassungen, Versetzungen und Beurlaubungen habe es im Bereich der Justiz und Verwaltung gegeben - bisher. Der EU-Kommissar hatte bereits gestern mit der Bemerkung für Aufsehen gesorgt, es müssten in der Türkei schon vorab Listen von Personen für Verhaftungen in den Schubladen vorhanden gewesen sein. Heute legte Hahn nochmal nach: "Bei allem Respekt für die durchaus sehr gut funktionierende Administration - dass das alles innerhalb von Stunden festzustellen sein soll, ist jenseits aller Vorstellungskraft."
Dass der türkische Präsident Erdogan offene Ohren für die Bitten und auch Warnungen von Seiten der Europäer hat, dafür gibt es bislang keine Anzeichen. Aber von EU-Seite versucht man, den Druck aufrecht zu erhalten. Natürlich würde die Einführung der Todesstrafe das Ende der Beitritts-Bestrebungen zur Europäischen Union bedeuten, bekräftigte EU-Kommissar Hahn. Darüber brauche man nicht zu diskutieren, sagte er.
"Die EU ist das einzige Korrektiv"
Gleichzeitig warnten EU-Abgeordnete in der Debatte, Gespräche und Brücken zur Türkei voreilig abzubrechen. Die Beitritts-Verhandlungen müssten vorerst weitergehen, weil sie die Möglichkeit bieten würden, dass die EU das einzige Korrektiv ist, sagte der konservative Parlamentarier Othmar Karas. Auch der Sozialdemokrat Jo Leinen hält ein völliges Kaltstellen der Türkei für gefährlich: "Die Alternative wäre eine islamistische, eine putinisierte Türkei. Und das ist das letzte, was wir in dieser unsicheren Zeit gebrauchen können."
Die Europäer werden also in den nächsten Wochen viel Geschick brauchen bei der richtigen Dosierung von Druck und Dialog - im Umgang mit einem türkischen Präsidenten, der laut EU-Parlamentschef Martin Schulz eindeutig auf Rache aus sei: "Die Sprache, die da gewählt wird, ist ja verräterisch: "Säuberung", "Metastasen ausmerzen". Das ist nicht die Sprache einer parlamentarischen Demokratie, sondern die eines autoritären Herrschers", sagte Schulz in den tagesthemen.
"Erdogan will sich das Land unterwerfen"
Was wir erleben würden, sei der Versuch Recep Tayyip Erdogans, der AKP und sich selbst das Land endgültig und definitiv zu unterwerfen. Doch Erdogan weiß auch, dass er der Präsident eines Schlüssel-Staates ist, auf den die Europäer zur Lösung der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen die Terror-Milizen vom sogenannten "Islamischen Staat" setzen. Es wird nicht leicht für die Europäer, mit ihren Wünschen und Warnungen durchzudringen.