Coronavirus in Italien "Geisterspiele" und Krisentreffen
In Italien breitet sich das Coronavirus rasch aus. Südtirol meldet den ersten Infizierten, Fußballspiele sollen vor leeren Rängen ausgetragen werden. Die Gesundheitsminister aus Mitteleuropa treffen sich zu einer Krisensitzung.
Angesichts der raschen Ausbreitung des neuen Coronavirus in Italien berät die italienische Regierung heute mit den Nachbarländern und Deutschland die Lage. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn reist dazu nach Rom. An dem Treffen am Nachmittag sollen neben dem Gastgeber zudem seine Kollegen aus Slowenien, Frankreich, der Schweiz und Österreich teilnehmen.
In Italien sind nach Behördenangaben bis zum frühen Montagabend mindestens sieben Infizierte gestorben - alle hatten demnach Vorerkrankungen. Die Zahl der Infektionsnachweise stieg trotz drastischer Maßnahmen wie Sperrzonen auf mehr als 220, wie Zivilschutzchef Angelo Borrelli am Abend in Rom sagte. Mehr als 25 Menschen seien auf der Intensivstation. Am Vorabend waren es noch rund 150 gemeldete Infizierte.
Erster Fall in Südtirol
Italien ist aktuell mit Abstand das Land mit den meisten erfassten Fällen in Europa. Südtirol meldete den "ersten wahrscheinlichen Fall". Es handele sich um einen jungen, in Südtirol ansässigen Mann, der "derzeit keine Symptome aufweist", erklärten die Behörden auf einer Pressekonferenz am Abend.
In der besonders schwer betroffenen Lombardei wurden zehn Gemeinden in der Provinz Lodi zu Sperrzonen erklärt. Dort kontrollieren Sicherheitskräfte, wer rein und raus darf. Spahn sagte am Montag, ein Virus mache an Landesgrenzen nicht halt. Zur Frage, ob auch in Deutschland ganze Städte abgeriegelt werden könnten, meinte er, theoretisch sei Vieles denkbar. Notwendig sei so ein Schritt nicht. "Von der Absage von Großveranstaltungen (...) bis zum kompletten Abriegeln ganzer Städte gibt es ja auch noch viele Zwischenstufen."
Italien gegen Grenzschließungen
Erwartet wird, dass die Minister bei ihrem Treffen in Rom Reaktionen auf die Ausbreitung des Virus beraten. Der italienische Zivilschutz und die Regierung in Rom hatten sich bereits gegen Grenzschließungen ausgesprochen. Dies sei rechtlich zwar machbar, bringe aber keinen praktischen Nutzen, so der Zivilschutz.
Wegen der Epidemie werden mehrere Spiele der ersten italienischen Fußball-Liga vor leeren Rängen ausgetragen. Laut Sportminister Vincenzo Spadafora billigte die Regierung den Ausschluss des Publikums aus den Stadien bei Spielen der Serie A in Norditalien. Auch die Europa-League-Partie zwischen Inter Mailand und dem bulgarischen Meister Ludogorez Rasgrad am Donnerstag wird zum "Geisterspiel", wie der italienische Club ankündigte.
Keine "Mission Impossible"-Dreharbeiten
Die geplante Dreharbeiten in Venedig für den siebten Kinofilm der Action-Reihe "Mission: Impossible" wurden ausgesetzt. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme für die Crew, teilte die Produktionsgesellschaft Paramount Pictures mit. Auch werde damit das Anliegen der örtlichen Behörden berücksichtigt, Menschenansammlungen in der Öffentlichkeit möglichst nicht stattfinden zu lassen. Hauptdarsteller Tom Cruise sei noch nicht nach Italien gereist.
Ansteckungsgefahr für Europäer "niedrig bis moderat"
Hingegen traf am Montag ein Team von Experten des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Weltgesundheitsorganisation WHO ein. Die Experten wollen die italienischen Gesundheitsbehörden bei ihrem Kampf gegen das Virus und den Bemühungen um dessen Eindämmung unterstützen. "Covid-19 ist ein neues Virus, das wir sehr ernst nehmen müssen", sagte WHO-Europadirektor Hans Kluge. Daher werde mit den Mitgliedsstaaten eng kooperiert, um diese auf das Auftreten der Lungenkrankheit und eine mögliche örtliche Ausbreitung vorzubereiten.
Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus ist aber nach einer neuen EU-Einschätzung für Europäer derzeit "niedrig bis moderat". Alle bisher berichteten Fälle in der Europäischen Union hätten klare epidemiologische Verbindungen, hieß es in einer Erklärung des ECDC. Man habe Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung zu begrenzen.
WHO-Generaldirektor Tedros sagt, die Ausbreitung des Virus könne noch gestoppt werden.
Erneut mehr als 500 neue Infektionen in China
Die Zahl der Opfer und Infizierten durch das Coronavirus stieg in China weiter an. Wie die Pekinger Gesundheitskommission mitteilte, kamen weitere 71 Menschen durch die Covid-19 genannte Krankheit ums Leben. Die Gesamtzahl der Opfer in China stieg damit auf 2663. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen kletterte um 508 auf 77.658.
Bis auf drei Todesopfer und neun Infektionen wurden sämtliche neue Fälle in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei gemeldet, wo das Virus ursprünglich in der Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen war. Außerhalb des chinesischen Festlands sind im Rest der Welt bislang mehr als 2300 Infektionen bekannt.
Weiterer "Diamond Princess"-Passagier tot
In Japan starb ein weiterer Passagier an Bord des Kreuzfahrtschiffes "Diamond Princess". Medienberichten zufolge war die betroffene Person in ihren 80ern in ein Krankenhaus gebracht worden, wo sie starb. Es ist der vierte Todesfall unter den Passagieren des Schiffes. Insgesamt hatten sich mehr als 690 Passagiere und Crewmitglieder mit dem Virus infiziert, darunter auch ein deutsches Ehepaar.
Auch im Iran erhöhte sich die offizielle Zahl der durch das Virus Getöteten auf 14: Die Behörden der Islamischen Republik meldeten, dass zwei an Corona erkrankte Menschen gestorben sind.
Südkorea, wo die Zahl der Infektionen zuletzt sprunghaft gestiegen war, erwägt eine Reduzierung gemeinsamer Militärmanöver mit den USA. Zur Abschreckung Nordkoreas sind dort mehr als 28.000 US-Soldaten stationiert. Der südkoreanische Verteidigungsminister Jeong Kyeong Doo sagte auf einer Pressekonferenz mit Pentagonchef Mark Esper in Washington, in den Streitkräften seines Landes seien bislang 13 Soldaten mit dem Coronavirus diagnostiziert worden. Er sprach von einer "ernsten Lage". Die südkoreanischen Gesundheitsbehörden meldeten im Verlauf des Montags 231 neue Fälle von Infektionen im ganzen Land - der bisher stärkste Anstieg an einem Tag.