Scholz in China "Gut und richtig, dass ich hier bin"
Kanzler Scholz hat seine China-Reise in Peking verteidigt. Die dortige Führung bat er, ihren Einfluss auf Russland für ein Ende des Ukraine-Kriegs zu nutzen. Auch Ministerpräsident Li wurde in Sachen Ukraine unerwartet deutlich.
Schon im Vorfeld hatte die Reise des Kanzlers für viel Kritik gesorgt - nun ist Olaf Scholz in Peking mit der chinesischen Führung zusammengetroffen. Die Kritik wies er zurück. "Der russische Überfall auf die Ukraine hat den Krieg zurückgebracht nach Europa", sagte er. In Zeiten der Krisen seien Gespräche noch wichtiger.
Seine Erklärung hatte er mit den Worten begonnen: "Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin."
Bei Gesprächen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang bat er darum, dass sie ihren Einfluss auf Russland für ein Ende des Kriegs in der Ukraine nutzen. Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats habe China auch Verantwortung für den Frieden in der Welt, sagte Scholz. "Ich habe Präsident Xi gesagt, dass es wichtig ist, dass China seinen Einfluss auf Russland geltend macht."
Warnung vor Atom-Drohungen
Die Regierungen in Peking und Berlin seien sich zudem einig, dass russische Drohungen mit Atomwaffen nicht akzeptabel seien, sagte der SPD-Politiker. "Atomare Drohgebärden sind unverantwortlich und brandgefährlich. Mit dem Einsatz von Atomwaffen würde Russland eine Linie überschreiten, die die Staatengemeinschaft gemeinsam gezogen hat."
Auch Xi warnte vor atomaren Drohgebärden und rief zu Friedensgesprächen auf. Die internationale Gemeinschaft müsse alle beteiligten Parteien zur Zurückhaltung auffordern, in direkten Kontakt treten und so rasch wie möglich die Bedingungen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen, wurde er vom chinesischen Staatsfernsehen zitiert. "Als einflussreiche Staaten müssten China und Deutschland in Zeiten von Wandel und Chaos zusammenarbeiten, um Frieden und Entwicklung zu fördern", sagte Xi demnach.
Li: "Können uns keine weitere Eskalation leisten"
Chinas Regierungschef Li erklärte ebenfalls, sein Land hoffe zusammen mit Deutschland auf ein baldiges Ende des Kriegs in der Ukraine. "Wir können uns keine weitere Eskalation leisten", sagte er. Beide Seiten sollten zu Friedensgesprächen bewegt werden. "Wir wollen nicht, dass die regionale Stabilität erschüttert wird, dass internationale Produktions- und Lieferketten destabilisiert werden."
Mit der geäußerten Besorgnis ging Li über bisherige Stellungnahmen der chinesischen Seite hinaus. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar hatte China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin meist Rückendeckung gegeben und den USA und der NATO die Hauptverantwortung für den Konflikt gegeben. Die Volksrepublik pflegt enge Kontakte zu Russland, der Handelsaustausch ist seit Kriegsbeginn deutlich gestiegen.
Auch die Auswirkungen des Krieges auf die Preise wurden bei den Gesprächen thematisiert. Diese sind auch in China zu spüren, etwa beim Getreide. Ernährungssicherheit ist dem Land mit seiner Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen ein wichtiges Anliegen.
Scholz unterstreicht Menschenrechte
Mit Blick auf Taiwan warnte Scholz China vor einem militärischen Eingreifen. Zwar befolge Deutschland eine "Ein-China-Politik". Das bedeute aber auch, dass alle Veränderungen des Status quo von Taiwan "nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen" erfolgen dürften.
Der Kanzler unterstrich, dass Menschenrechte "universell" seien, was auch von allen Mitglieder der Vereinten Nationen anerkannt werde. Er habe in seinen Gesprächen an die Verpflichtung zu ihrer Wahrung und Umsetzung erinnert. Er mahnte diese auch ausdrücklich mit Blick auf die Region Xinjiang an, wo nach Angaben des UN-Menschenrechtskommissariats muslimische Minderheiten verfolgt werden. Dies sei "keine Einmischung in innere Angelegenheiten", so Scholz unter Hinweis auf die übliche chinesische Antwort zu diesem Thema. Beide Seiten wollten zu dem Thema im Gespräch bleiben.
Aus Regierungskreisen hieß es, Scholz habe sich vor seiner Reise über eine gesicherte Videoleitung auch mit chinesischen Menschenrechtsanwälten unterhalten. Die Anwälte - und auch Familienangehörige - hätten das Gespräch von der deutschen Botschaft in Peking aus geführt und von ihren schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen berichtet. Ein Treffen vor Ort war wegen der strengen Corona-Auflagen nicht möglich. Begegnungen von Kanzler oder Kanzlerin mit Mitgliedern der chinesischen Zivilgesellschaft gelten aus deutscher Sicht immer als ein zentrales Element von China-Reisen.
Fairness in den Handelsbeziehungen gefordert
Mit Blick auf die Wirtschaft mahnte Scholz bei seinem Besuch Fairness in den Handelsbeziehungen an. Er habe unter anderem angesprochen, dass es keine Benachteiligung deutscher Firmen auf dem chinesischen Markt geben dürfe, wenn dies umgekehrt nicht der Fall sei. "Ich glaube dass dies für sehr viel konkrete Fälle zu Fortschritten in nächster Zeit führen wird", so Scholz. Es sei wichtig, dass dies für Europa insgesamt gelte. Es müssten gleiche Bedingungen für Investitionen auf der jeweils anderen Seite gelten.
Scholz' Besuch in China ist so umstritten wie wohl kaum eine andere Kanzlerreise nach China zuvor. Kritik gab es besonders am Zeitpunkt, weil Scholz dem Parteichef so schnell nach dem Parteitag die Aufwartung macht, was der Propaganda in die Hände spiele. Auf dem Kongress hatte Xi seine Macht noch weiter ausgebaut und sich für eine historisch ungewöhnliche dritte Amtszeit bestätigen lassen.
BioNTech-Impfstoff wird für Ausländer zugelassen
Bei seinem Besuch bekam Scholz auch grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs von BioNTech für in China lebende Ausländer. Dies sei Teil einer vereinbarten engeren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Pandemie, sagte er. Am Besuch nahm in der Wirtschaftsdelegation auch der Chef des deutschen Unternehmens BioNTech, Ugur Sahin, teil.
Bislang darf das BioNTech-Präparat in China nicht auf dem Markt. "Dies kann natürlich nur ein erster Schritt sein", sagte Scholz zu der Zulassung für Ausländer mit Wohnsitz in China. "Ich hoffe, dass der Kreis der Berechtigten bald erweitert werden kann, bis hin zu einer allgemeinen freien Verfügbarkeit des Stoffes." Es sei auch "auch über die Perspektive einer allgemeinen Zulassung von BioNtech in China" gesprochen worden.
Mit Informationen von Eva Lamby-Schmitt, ARD-Studio Shanghai