Heusgen zur China-Reise des Kanzlers "Die Frage ist: Warum jetzt?"
Der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz Heusgen ist derzeit an alter Wirkungsstätte in New York unterwegs, um für eine "Zeitenwende" zu werben. Die China-Reise des Kanzlers passt da gar nicht ins Konzept.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz steht vor seiner alten Wirkungsstätte in New York. Als ehemaliger deutscher Botschafter der Vereinten Nationen hat Christoph Heusgen hier im UN-Sicherheitsrat oft Chinas Menschenrechtsverletzungen angeprangert.
Peking bleibt einer von Moskaus stärksten Verbündeten, bleibt trotz des Angriffskriegs in der Ukraine an dessen Seite. Ja, sagt Heusgen, Gespräche mit China seien wichtig. Allerdings sei die Frage, ob die Reise von Kanzler Scholz dorthin gerade jetzt sinnvoll sei.
Wenn wir hier in New York mit vielen Kollegen sprechen, da wird man darauf angesprochen, warum zum jetzigen Zeitpunkt, warum zu einem Zeitpunkt, wo in China jetzt ganz klar ist: Da ist ein totalitäres Regime, wir sind zurück zu den Zeiten von Mao Tsetung. Warum geht man jetzt dahin? Warum macht man das mit einer Wirtschaftsdelegation - wo wir gerade ja versuchen, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu vermindern?
Gespräche mit China seien sinnvoll - mit Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel etwa, und auch mit Blick auf Wirtschaftsbeziehungen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sollte der Kanzler die Wirtschaftsdelegation besser nach Afrika oder Lateinamerika bringen, anstatt im Alleingang nach Peking.
Heusgen: Scholz sollte besser nach Afrika reisen
Heusgen hört viele solcher Bemerkungen hinter den UN-Kulissen in New York, wo sein Team der Sicherheitskonferenz gerade mit einem Schlagwort tourt: "Zeitenwende" heißt das Motto, für das Heusgen im Kreis von hochrangigen UN-Diplomaten und Sicherheitsexperten wirbt. Und die Reise des Kanzlers passt nicht gut in dieses Konzept.
Wir müssen uns sehr viel mehr um die Länder des globalen Süden kümmern. Nicht nur dann, wenn es uns punktuell mal wichtig ist, sondern wir müssen uns kontinuierlich und ganz intensiv um die Länder des globalen Südens kümmern. Was wir bisher gemacht haben, ist zu wenig.
Zumal Russland mit seinen ständigen Provokationen daran arbeite, der Antikriegs-Allianz aus westlichen, afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten Risse zuzufügen. Das Getreideabkommen sei vorerst gerettet - trotzdem gebe es keinen Grund zum Aufatmen, sagt Heusgen.
Russland spielt mit dieser Versorgung der Welt und wird sehen, wann es das wieder als Instrument einsetzen kann.
Russlands Spaltungsversuche
Russland versuche mit solchen Aktionen, Verunsicherungen zu streuen. Auch mit falschen Anschuldigungen - etwa, dass die Ukraine mit westlicher Hilfe an Biowaffen oder "schmutzigen Bomben" mit nuklearen Elementen baue. All das seien Spaltungsversuche gegen die Länder, die sich geschlossen gegen den Angriffskrieg stellen.
Wir müssen gegenhalten, indem wir eine Unwahrheit nach der anderen aufdecken, indem wir mit den Ländern, die vielleicht verunsichert sind, immer wieder klarmachen: Wer ist der Aggressor? Wer hat das Völkerrecht gebrochen? Wer begeht Kriegsverbrechen? Und wer versucht, dagegenzuhalten? Wer versucht, wieder Frieden herzustellen?
Das Schlimmste sei, dass die Weltgemeinschaft gerade zum Auftakt der wichtigen Klimakonferenz COP 27 in Scharm el Scheich abgelenkt sei von einer weiteren Hauptaufgabe: Die Klimakrise, die auch eng mit dem Thema Konflikte verbunden sei.
Russland ist nicht nur Schuld an dem Sterben Tausender von Menschen, von Millionen Flüchtlingen, sondern Russland ist auch schuld, dass wir uns derzeit nicht so um die Hauptaufgabe kümmern können, wie wir es müssten. Priorität Nummer eins ist, dass wir alles tun, um den Klimawandel zu verlangsamen.
Heusgen: Versprechen gegenüber globalem Süden einhalten
Deutschland müsse seine Hausaufgaben machen. Aber in Ägypten werde es in erster Linie auch darum gehen, die Versprechen gegenüber den Ländern des globalen Südens einzuhalten.
Dass wir die Mittel für die verschiedenen Fonds, den Grünen Klimafonds, dass wir die aufbringen und damit wir die Länder auch tatsächlich mit den entsprechenden Finanzmitteln dazu bringen, von CO2 abzubringen. Und die werden das nicht machen, wenn wir nicht entsprechende Mittel aufbringen. Wir müssen auch mit dem Instrument der Entschuldung arbeiten.
Ein Punkt sei allerdings auch hier wichtig: China müsse sich beteiligen.