Coronavirus Zweifel an Zahlen aus China
Seit Tagen meldet China außergewöhnlich niedrige Corona-Neuinfektionszahlen. Doch Zweifel sind angebracht. Viele Chinesen reagieren mit Spott und Zynismus, ein Regierungskritiker spricht von Lügen.
Einmal am Tag veröffentlicht Chinas staatliche Gesundheitskommission die aktuellen Zahlen zur Ausbreitung des Coronavirus: Erfasst werden neu Infizierte, Todesopfer und geheilte Patienten. Die Behörde kann dabei unmittelbar auf die Gesundheitsdaten aus allen 31 Landesteilen Festlandchinas zugreifen. Die kommunistische Staats- und Parteiführung will so Transparenz vermitteln, der eigenen Bevölkerung und dem Ausland. Doch Kritiker halten die Zahlen für viel zu niedrig angesetzt.
Skepsis sei angebracht im Bezug auf die Zahlen der chinesischen Führung, sagt Adam Ni, Direktor des China Policy Centers, einer nichtstaatlichen Organisation in der australischen Hauptstadt Canberra. Dass Chinas Behörden falsche Zahlen veröffentlichen, sei nicht neu.
Lügen auch bei der Luftverschmutzung
"Die Führung in Peking hat das immer wieder gemacht, etwa bei Zahlen zur Luftverschmutzung und auch beim Wirtschaftswachstum." Deshalb solle man bei Statistiken des chinesischen Staats generell skeptisch sein: "Vor allem, wenn es um sensible Themen geht, bei denen es die Kommunistische Partei für geboten hält, Daten zu manipulieren."
In der Volksrepublik China selbst wird über die Glaubwürdigkeit der offiziellen Infektionszahlen kaum diskutiert. In den vollständig vom Staat kontrollierten Medien wird die Frage nicht thematisiert, eine Opposition gibt es nicht und auch die Zivilgesellschaft ist schwach.
Kaum noch Widerspruch von Oppositionellen
In Chinas Social-Media-Netzwerken wird allerdings regelmäßig mit Spott und Zynismus auf die verdächtig guten Coronavirus-Statistiken reagiert. Einer der wenigen Intellektuellen, die sich in China noch trauen, öffentlich Stellung zu nehmen zu sensiblen Themen, ist der politischen Kommentator und Regierungskritiker Zhang Lifan aus Peking.
"Wenn eine Regierung regelmäßig lügt, dann werden Zahlen, die sie veröffentlicht, natürlich angezweifelt," sagte Zhang dem Schweizer Radio SRF. "Vergegenwärtigen wir uns auch noch einmal, wie die Krise begonnen hat: Als die Epidemie in Wuhan ihren Ausgang nahm, wurde das wahre Ausmaß von der Lokal- bis hinauf zur Zentralregierung verheimlicht."
Chinas Armee - unverwundbar?
Für besonders unglaubwürdig halten Kritiker das Verhalten des chinesischen Militärs in der Coronavirus-Krise. Unter dem Kommando des Zentralkomitees der Partei und dem Vorsitzenden Xi Jinping habe Chinas Militär Kontolle und Vorsorge im Bezug auf das Coronavirus gestärkt. Das betonte der zuständige Armeevertreter Chen Jingyuan Anfang März bei einem Pressetermin Anfang März.
Auf Fragen eines Reporters der Nachrichtenagentur Reuters, ob sich chinesische Soldaten infiziert hätten, antwortete die Militärvertreter nicht, beziehungsweise nur ausweichend. Das passt ins Bild: Seit Beginn der Krise suggeriert die Staatsführung, das Militär des Landes sei sicher vor dem Virus. Adam Ni vom China Policy Center sagte dazu:
"Das ist mit ziemlicher Sicherheit falsch. Zu Chinas Militär gehören zwei Millionen Menschen. In der besonders betroffenen Stadt Wuhan betreibt das Militär ein großes Logistikzentrum." Aus diesem Grund hält Ni die Behauptung, dass es in Chinas Militär keine Infektionsfälle gegeben habe, für äußerst unwahrscheinlich.