Brexit-Übergang Alle Pflichten, keine Stimmrechte
Großbritannien wünscht sich nach dem Brexit eine zweijährige Übergangsfrist. Sinnvoll - findet auch die EU. Damit diese Phase geordnet abläuft, legt sie dafür Richtlinien fest. Und die haben es in sich.
Es wird ein in jeder Hinsicht besonderes Erwachen: Wenn die Briten am 30. März 2019 aufstehen, werden sie sich nicht mehr in der Europäischen Union befinden. Dabei dürfte es sich zunächst aber noch so anfühlen, als wären sie weiter Teil der EU. Denn wenn alles gut geht, einigen sich beide Seiten, wie geplant, auf eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020.
"Die Übergangsphase, um die Großbritannien gebeten hat, ist hilfreich, weil sie einen geordneten Austritt ermöglicht", findet EU-Chefverhandler Michel Barnier. Geht es nach der Europäischen Union, dann werden den Briten in dieser fast zweijährigen Zwischenphase sämtliche Pflichten auferlegt bleiben, ohne dass sie noch in irgendeiner Form mitbestimmen können. Das Königreich wird sich weiter an das komplette EU-Regelwerk halten müssen. Es wird sogar auch all das übernehmen müssen, was die EU in der Übergangsphase an neuen Gesetzen beschließt, wie es in dem Entwurf für die Verhandlungsrichtlinien heißt, der dem ARD-Studio Brüssel vorliegt.
Bei all dem gilt: "Natürlich ist das Vereinigte Königreich, weil es am 30. März 2019 ein Drittstaat wird, dann nicht mehr in den EU-Institutionen vertreten", stellt Barnier klar.
Harte Richtlinien - aber mit Vorteilen
In Absatz 19 der heute von der EU noch offiziell zu verabschiedenden Richtlinien heißt es dazu gnädig, dass Großbritannien "ohne Stimmrechte" zu einzelnen Treffen eingeladen werden könnte.
Einigkeit - das soll die Übergangsphase nach Meinung von Großbritanniens Brexit-Minister Davis erzielen.
Auch wenn so mancher Brexit-Hardliner all dies als Demütigung empfinden mag - die Vorteile liegen für beide Seiten auf der Hand: Die Briten bleiben vorerst Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion, Unternehmen bekommen Zeit, noch einmal durchzuatmen.
"Unser unmittelbares Ziel ist es, mit der EU Einigkeit zur Übergangsphase zu erzielen. Weil unsere Ziele weitgehend dieselben sind, bin ich zuversichtlich, dass wir beim EU-Gipfel im März eine politische Einigung erzielen", erklärte der britische Brexit-Minister David Davis. Laut EU-Diplomaten planen beide Seiten, ihre Verhandlungsfrequenz zu erhöhen und sich, anders als in Scheidungsphase eins, künftig im Zwei-Wochen-Rhythmus zu treffen.
Langes Warten auf Details
Natürlich wollen die Briten - was ihnen auch erlaubt sein dürfte - in der Übergangsphase bereits beginnen, mit anderen Staaten über eigene Handelsabkommen zu sprechen. Viel entscheidender aber dürfte letztlich die Frage sein, auf welches Abkommen sie sich mit der EU einigen - und wann: "Es war das Vereinigte Königreich, das uns gesagt hat, es wolle nicht mehr Teil des Binnenmarkts sein. Auch nicht der Zollunion. Das waren nicht wir, sie waren das. Auch wollen sie nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren", fasste kürzlich EU-Verhandler Barnier zusammen.
Sein Pendant auf der anderen Seite der Ärmelkanals, Davis, hatte einst erklärt, er könne sich einen "CETA-Plus-Plus-Plus-Deal" vorstellen. Also eine Art aufgepepptes EU-Kanada-Freihandelsabkommen.
Doch auf EU-Seite wartet man bislang einigermaßen verzweifelt darauf, dass die Briten ihre Vorstellungen endlich präzisieren. Weder die Rede von Premierministerin Theresa May in Davos noch die von Brexit-Minister Davis förderten neue Erkenntnisse zutage. Es gibt nicht wenige in Brüssel, die mutmaßen, dass die Regierung in London wohl erst noch mit sich selbst verhandeln müsse, bevor an Verhandlungen mit der EU zu denken sei. Wahnsinnig viel Zeit bleibt nicht: Die Übergangsphase soll ja - so ist es zunächst geplant - am 31. Dezember 2020 enden.