May will Brexit-Deal retten In verzweifelter Mission
Den Haag, Berlin, Brüssel - die britische Premierministerin ist auf Last-Minute-Tour durch den Kontinent. Ihre Mission: den Brexit-Vertrag nachverhandeln. Ihre Erfolgschancen: äußerst gering.
Es ist ein voller Tag für die britische Premierministerin Theresa May: Nachdem sie am Montag die geplante Parlamentsabstimmung über das Brexit-Abkommen abgesagt hat, will sie nun für Nachverhandlungen werben. Zwar stehen mehrere Termine mit Regierungs- und EU-Chefs auf ihrem Terminplan - doch bezüglich eines neuen Tauziehens um den Brexit-Deal schlagen sie May quasi die Tür vor der Nase zu.
Es gibt keinerlei Raum für Nachverhandlungen.
Klipp und klar fasste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen Standpunkt zusammen. Er räumte zwar ein, dass es durchaus noch Spielraum "für weitere Klarstellung und weitere Interpretationen" gebe, aber dafür die Vereinbarungen neu aufbrechen? Auf keinen Fall. "Das Abkommen, das wir erreicht haben, ist das bestmögliche Abkommen. Es ist das einzigmögliche Abkommen", betonte der Kommissionschef auf Twitter.
Tusk beruft Brexit-Gipfel ein
Mit seinem vehementen Votum gegen weitere Verhandlungen steht Juncker unter EU-Politikern nicht allein da. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte bereits nach der abgesagten Abstimmung des Parlaments einen Brexit-Gipfel am Rande des für Donnerstag anberaumten EU-Gipfels angekündigt. Neu aufrollen werde man die Punkte des Brexit-Deals aber nicht. Stattdessen plädierte er dafür, auch das Szenario eines EU-Austritts Großbritanniens ohne Abkommen erneut zu diskutieren. Es ist das No-Deal-Szenario oder auch "harter Brexit" genannt.
Auch der Vorsitzende der liberalen EU-Parlamentsfraktion, Guy Verhofstadt und der Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, sprachen sich dafür aus, das Abkommen so zu belassen, wie es ist. "Wir spielen dieses Spiel nicht mit", betonte Weber. Wer die EU verlasse, verliere deren Vorteile. "Diese Erfahrung machen nun die Briten."
Treffen mit Merkel
Doch Brüssel ist erst der letzte Stopp auf Mays Reiseroute über den Kontinent. Sowohl ihr Treffen mit Tusk als auch mit Juncker sind für den späteren Nachmittag und frühen Abend eingeplant. Als erster Termin stand ein gemeinsames Frühstück mit ihrem niederländischen Amtskollegen, Mark Rutte, an. "Es war ein nützliches Gespräch, bei dem wir den letzten Stand der Dinge um den Brexit besprochen haben", twitterte Rutte im Anschluss an das Gespräch. Beide Politiker äußerten sich nicht direkt zu der Unterredung.
May ist am frühen Nachmittag nach Berlin gereist und hat inzwischen auch mit Kanzlerin Angela Merkel gesprochen. Das Treffen dauerte etwas eine Stunde, über Inhalte wurde bislang nichts bekannt.
Auch ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zählte zu Mays Werbetour für Brexit-Nachverhandlungen.
Aber auch unter deutschen Politikern hat May mit ihrem Nachverhandlungswunsch schlechte Karten. Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, warnte davor, das "ausbalancierte Verhandlungsergebnis" zwischen EU und Großbritannien nochmals "aufzuschnüren". Die Koalitionsfraktionen wollten am Donnerstag einen entsprechenden Antrag im Bundestag beschließen.
"May ist in verzweifelter Lage"
Etwas deutlicher wurde da in seiner Wortwahl der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz im Interview mit dem Deutschlandfunk. May sei in einer "verzweifelten Lage" und das Werben für Änderungen des Abkommens der "Versuch eines Befreiungsschlages". Ein Versuch, der aus seiner Sicht scheitern werde, sagte Schulz.
Ich glaube, dass Frau Merkel ihr sagen sollte und auch sagen wird, dass es Zugeständnisse nicht mehr geben wird.
Auch der deutsche Staatsminister des Außenamts, Michael Roth, stellte an das Treffen zwischen May und Merkel eher eingeschränkte Erwartungen. Er hoffe, "dass sie sich frohe Weihnachten, Stärke und alles Gute für das Neue Jahr wünschen" - aber einen Kompromiss für weitere Verhandlungen werde es sicher nicht geben.
Unabhängig vom Erfolg ihrer Gespräche mit Merkel, Juncker und Tusk will May dem britischen Parlament bis zum 21. Januar das Brexit-Abkommen zur Abstimmung vorlegen. Das teilte ein Sprecher ihrer Regierung mit.