Nach Mays Brexit-Ansprache Zoff im britischen Unterhaus
Wut, Empörung und Chaos herrschte im Unterhaus während der Ansprache von Premierministerin May. Immer noch ist unklar, wie Großbritannien die EU verlässt. Über den Weg dahin wird heute in Brüssel beraten.
Auch acht Tage vor dem offiziellen Austrittstermin herrscht Chaos und Wut im britischen Unterhaus und der Regierung. Nach wie vor ist nicht klar, wie Großbritannien die EU verlässt. Am Abend hatte May sich mit einer Ansprache an die britische Bevölkerung gewandt. Zuvor hatte sie EU-Ratspräsident Donald Tusk um eine kurze Verschiebung des Brexit bis zum 30. Juni gebeten.
"Die Abgeordneten waren unfähig, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts des Vereinigten Königreichs zu einigen", sagte May. "Deswegen werden wir nun nicht rechtzeitig am 29. März die EU verlassen. Diese Verzögerung bedauere ich persönlich sehr."
Schuld sind laut May die anderen
Kurz gesagt: Schuld sind die anderen, sie - Theresa May - hat alles gegeben. Der Tory-Abgeordnete und ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic Grieve ist entrüstet: "Jetzt sind wir an den Punkt gelangt, dass wir uns zwischen diesem Abkommen und einem 'No Deal' entscheiden müssen. Ich kann diesem Deal nicht zustimmen."
Am Nachmittag hatte Grieve im britischen Unterhaus deutlichere Worte gefunden: "Ich habe mich nie mehr dafür geschämt, der konservativen Partei anzugehören. Die Premierministerin hat die meiste Zeit damit zugebracht, das Unterhaus für Fehltritte zu beschuldigen. Zu keinem Zeitpunkt hält sie inne, ob es vielleicht an ihrem Führungsstil liegt, der uns in diese Situation geführt hat."
Die britische Premierministerin May beklagt, die Abgeordneten seien unfähig gewesen, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts zu einigen.
Eklat und Chaos
Der Labour-Abgeordnete Hilary Benn fordert angesichts des Chaos eine Abstimmung über alle Möglichkeiten, die im Unterhaus eingebracht wurden - vom zweiten Referendum bis hin zu einem weicheren Brexit. "So können wir herausfinden, wofür es eine Mehrheit im Parlament geben könnte, angesichts der Tatsache, dass ein 'No Deal'- Brexit und Theresa Mays Deal im Unterhaus abgelehnt wurden. Und wenn wir dann zu einer Einigung kommen, dann sollten wir noch einmal die Bevölkerung fragen. Mit dem Chaos kann es nicht so weitergehen."
Am Nachmittag hatte die Premierministerin Gespräche mit der Opposition geführt. Doch es kam zum Eklat, der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn verließ laut BBC das Treffen, weil der ehemalige Labour-Abgeordnete Chuka Umunna anwesend war. Dieser hatte die Partei aus Protest verlassen und gehört nun einer unabhängigen Gruppe an.
Tusk: Kurze Verschiebung möglich
Es gibt Konfrontation und Spaltung auf allen Ebenen. Corbyn wird auch zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen, der heute beginnt, um sich unter anderem mit dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier zu treffen.
Der EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte bereits im Vorfeld signalisiert, dass eine kurze Verschiebung des Brexit möglich sei, wenn eine Mehrheit im britischen Unterhaus bei einer dritten Abstimmung für den Vertrag votieren sollte. Der Verlängerung müssen allerdings auch alle übrigen 27 EU-Länder zustimmen.
Immer wieder Rücktrittsforderungen
Doch die Stimmung hat sich im Wesentlichen nicht geändert. Rücktrittsforderungen wurden immer wieder laut. Und mit ihrer Ansprache dürfte May viele weitere Abgeordnete gegen sich aufgebracht haben.
Der konservative Tory-Abgeordnete und Brexit-Hardliner Mark Francois erklärte gegenüber der BBC: "Ich denke nicht, dass der Deal durchkommen wird. Meine Kollegen sind nach wie vor dagegen. Mit diesem Abkommen werden wir die EU nie richtig verlassen, damit werden wir halb drin und halb draußen sein. Das ist nicht das, wofür 17,4 Millionen Menschen gestimmt haben."
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel werden die EU-Staats- und Regierungschefs nun über eine Verschiebung des Austrittstermins und die Frage beraten, ob eine Verlängerung bis Ende Juni möglich ist oder kürzer ausfallen sollte.