Brexit-Verhandlungen "Jede Chance muss genutzt werden"
Erst positive Signale aus Irland, jetzt "konstruktive" Gespräche zwischen der EU und Großbritannien. Nun soll eine weitere Brexit-Verhandlungsrunde gestartet werden. EU-Ratspräsident Tusk will jede noch so kleine Chance nutzen.
Nach einer Annäherung zwischen der britischen und der irischen Regierung haben offenbar auch die EU und Großbritannien Fortschritte in den Brexit-Verhandlungen gemacht. Der britische Brexit-Minister Steve Barclay und EU-Verhandlungsführer Michel Barnier berieten rund eine Stunde darüber, ob ein Abkommen beider Seiten vor dem EU-Austritt Großbritanniens am 31. Oktober noch möglich ist. Die EU-Kommission sprach danach von einem "konstruktiven Treffen".
Nach entsprechenden Berichten von Diplomaten will die Europäische Union nun eine weitere Verhandlungsrunde mit Großbritannien starten. EU-Verhandlungsführer Barnier könne nun vor dem EU-Gipfel kommende Woche "intensive" Gespräche mit der britischen Seite beginnen, sagten zwei EU-Diplomaten der Nachrichtenagentur AFP.
Auch Stephen Barclay und Michel Barnier haben offenbar Fortschritte erzielt.
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte dass Barclay und Barnier die Brexit-Frage unter "vielen verschiedenen Blickwinkeln" diskutierten. Sie wollte sich nicht dazu äußern, ob Großbritannien neue Vorschläge vorgelegt hat.
Die Zeit wird knapp
EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich abwartend. "Unglücklicherweise sind wir weiter in einer Situation, in der das Vereinigte Königreich keinen praktikablen Vorschlag vorgelegt hat." Er verwies darauf, dass er dem britischen Premierminister Boris Johnson eine Frist bis zu diesem Freitag gesetzt habe, einen solchen Vorschlag vorzulegen. Sonst gebe es "keine Möglichkeit für eine Vereinbarung" beim EU-Gipfel kommende Woche.
Tusk verwies allerdings darauf, dass der irische Regierungschef Leo Varadkar und Johnson nach einem Treffen am Donnerstag zum ersten Mal beide einen "Pfad" zu einem Deal gesehen hätten. Er habe von Varadkar "vielversprechende Signale" erhalten, "dass ein Abkommen weiter möglich ist". Technische Gespräche dazu liefen derzeit in Brüssel, sagte Tusk weiter. "Natürlich gibt es keine Garantie für einen Erfolg und die Zeit ist praktisch um, aber auch die geringste Chance muss genutzt werden. Die EU wird nie für einen No-Deal-Brexit sein."
Auf dem "Pfad" zu einem Deal? Der irische Premierminister Varadkar und sein britischer Kollege Johnson.
Großbritannien soll nach bisherigem Stand zum 31. Oktober aus der EU austreten. Johnson will den Austritt notfalls auch ohne Abkommen vollziehen. Die Gespräche zwischen London und Brüssel gestalten sich jedoch schwierig. Insbesondere zeichnete sich bislang keine Lösung in der Frage ab, wie Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland verhindert werden können.
Wenig Begeisterung für Johnsons Vorschläge
Johnson hatte vergangene Woche einen Vorschlag für ein Abkommen unterbreitet. Demnach soll Nordirland nach dem Brexit in einer Zollunion mit Großbritannien bleiben. Kontrollen im Warenhandel mit Irland sollen aber nicht an der Grenze, sondern nur "dezentralisiert" über Online-Formulare und Überprüfungen auf Firmengeländen und entlang der Lieferkette erfolgen. Die EU sah aber mehrere "problematische Punkte" und zweifelte daran, dass Zollkontrollen tatsächlich verhindert werden können.
Zudem sahen die anderen EU-Mitglieder die Forderung Johnsons kritisch, dass das nordirische Parlament alle vier Jahre der Vereinbarung mit der EU neu zustimmen muss und damit das Abkommen zu Fall bringen könnte.