Varadkar trifft Johnson Hoffnungsschimmer im Brexit-Streit
Zwei Stunden saßen der irische Premier Varadkar und sein britischer Kollege Johnson in einem englischen Hochzeitshotel beisammen. Überraschenderweise kamen sie sich beim Brexit etwas näher.
Der britische und der irische Regierungschef trafen sich in etwa auf halbem Wege zwischen London und Dublin: In der Nähe von Liverpool, in einer idyllischen Parklandschaft im denkmalgeschützten Thornton Manor House aus dem 19. Jahrhundert, das heute vor allem für Hochzeitsfeiern genutzt wird. Diesmal aber ging es hier eher um eine Scheidung, genauer um den Scheidungsvertrag, der den Austritt Großbritanniens aus der EU regeln soll.
Und wohl um den vorerst letzten Versuch, den Brexit nicht endgültig in einem Rosenkrieg enden zu lassen. Die Presse war auf dem Thornton Manor Estate nicht zugelassen. Aber am Ende des mehrstündigen Treffens gab es zunächst eine gemeinsame schriftliche Erklärung, mit dem Kernsatz: Man sehe einen Pfad zu einem möglichen Abkommen, alles Weitere würden Freitagfrüh die Experten in Brüssel besprechen.
Varadkar gibt sich optimistisch
Später meldete sich Leo Varadkar zu Wort: "Ich bin jetzt davon überzeugt, dass sowohl Irland als auch Großbritannien ein Abkommen wollen. Und ich sehe jetzt einen Pfad, um sich in den kommenden Wochen auf ein Austrittsabkommen zu einigen. Natürlich müssen bis dahin noch einige Probleme endgültig geklärt werden. Zum Beispiel muss sichergestellt werden, dass eine langfristige Lösung für Nordirland auch die Zustimmung der nordirischen Bürger bekommt. Und zweitens darf es keine Zollgrenze zwischen dem Norden und dem Süden Irlands geben."
Nach dem Ergebnis seines Treffens mit Boris Johnson hoffe er aber, dass die Verhandlungen in Brüssel wieder aufgenommen werden könnten, so der irische Premierminister.
Verbreiteten Zuversicht: Der irische Premierminister Varadkar und sein britischer Kollege Johnson im Thornton Manor House in der Nähe von Liverpool.
Nur wenige Tage Zeit
Damit sind nun der britische Brexit-Minister Stephen Barclay und der EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Zug, die am Freitag die Details einer möglichen Einigung besprechen werden. Allerdings ist die Zeit knapp: In einer Woche bereits ist der EU-Gipfel in Brüssel, der ein Austrittsabkommen noch absegnen müsste, bevor sich die Parlamente damit befassen. Und in drei Wochen ist der 31. Oktober - der zurzeit noch geltende Austrittstermin.
Der irische Premierminister hält es nicht für völlig ausgeschlossen, das Abkommen bis dahin unter Dach und Fach zu bekommen und einen ungeregelten Austritt zu vermeiden. Wenn nicht - dann könnte der Austritt auch noch mal verschoben werden. Das Parlament in London hatte ja ein Gesetz beschlossen, dass den britischen Premierminister zwingt, ohne gültiges Austrittsabkommen die EU um Verschiebung zu bitten.
Auch Gove ist guter Hoffnung
Positive Zeichen gab es nach dem Treffen der beiden Regierungschefs auch in London. Vizepremier Michael Gove erklärte, er sei erfreut. Nach diesem Gespräch sei er guter Hoffnung, dass man in den kommenden Tagen Fortschritte machen werde.
Völlig offen ist allerdings, ob ein neues Austrittsabkommen eine Mehrheit im Unterhaus findet. Johnson führt eine Minderheitsregierung. Die Opposition will einerseits den No-Deal-Brexit verhindern, steuert andererseits aber eine vorgezogene Neuwahl Ende November an. Mit dem Ziel, am Ende noch einmal das britische Volk über einen geregelten Austritt oder einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen.