Brexit Wer bekommt die EU-Agenturen?
Sowohl die Bankenaufsicht als auch die Arzneimittelbehörde der EU müssen Großbritannien wegen des Brexits verlassen. Deutschland hat sich um beide beworben. Doch es gibt Streit um die Kriterien, die für die Entscheidung maßgeblich sind. Von Kai Küstner.
Sowohl die Bankenaufsicht als auch die Arzneimittelbehörde der EU müssen Großbritannien wegen des Brexits verlassen. Deutschland hat sich um beide beworben. Doch es gibt Streit um die Kriterien, die für die Entscheidung maßgeblich sind.
Es wäre in der Tat etwas absurd, wenn EU-Agenturen künftig nicht mehr auf dem Gebiet der Europäischen Union angesiedelt wären. Daher ist völlig unstrittig, dass die bislang im Vereinigten Königreich beheimatete EU-Arzneimittelbehörde und die EU-Bankenaufsicht nach dem Brexit umziehen müssen. Die deutlich kompliziertere Frage lautet: Wohin?
Bereits vor drei Wochen hatte die Bundeskanzlerin ein begehrliches Auge auf die Bankenaufsicht geworfen: "Wir fühlen uns sehr prädestiniert dafür, weil wir mit Frankfurt ein ordentliches Zentrum haben." Wenig verwunderlich, dass Merkel beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken für diese Worte Applaus einheimste. Auch für die EU-Arzneiaufsicht hat sich Deutschland mittlerweile offiziell beworben.
Die Zentrale der Europäischen Arzneimittel-Agentur befindet sich derzeit noch in London.
Beachtliche Konkurrenz
Die Konkurrenz in beiden Fällen ist jedoch durchaus beachtlich. Laut einer von einem EU-Land zusammengestellten Liste, die dem ARD-Studio Brüssel vorliegt, gibt es für die Arzneimittelbehörde bereits 16 offizielle Mitbewerber. Und für die Bankenaufsicht vier Konkurrenten: Prag, Wien, Warschau und Luxemburg.
"Sie wissen, dass wir Finanzplatz sind", erklärte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. "Und dass wir europäische Finanzinstitute hier in Luxemburg haben. Aber es gibt fast kein Land, das nicht Kandidat ist." Weitere Konkurrenten dürften hinzukommen. Erst Ende Juli endet die Bewerbungsfrist.
Katalog mit sechs Kriterien
Für die EU steht deshalb zunächst die Frage im Vordergrund, nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl getroffen werden soll. Hier schlagen EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einen Katalog von sechs Kriterien vor: Vorhandener Büroraum in der Bewerberstadt, Zahl der Flugverbindungen, mehrsprachige Schulen für die Kinder der Beschäftigten - das soll unter anderem bei der Standortwahl eine Rolle spielen.
Aber natürlich auch, dass die umziehenden Agenturen ein Umfeld vorfinden, das ihnen möglichst übergangslos das Weiterarbeiten ermöglicht. Dazu gehört dem Vorschlag zufolge auch die Möglichkeit, vor Ort hochqualifizierte Arbeitskräfte halten und anlocken zu können: "Wichtig ist, dass es keine Verzögerungen gibt", sagte die maltesische Europaministerin Helena Dalli, deren Land derzeit den EU-Vorsitz innehat. "Und dass die Angestellten einen möglichst sanften Übergang bekommen."
Am Ende wird abgestimmt
Welche Stadt schließlich den Zuschlag bekommt, darüber soll am Ende abgestimmt werden. Nach einem Verfahren, das ein wenig an den Eurovision Song Contest erinnert. Gilt es doch zum Beispiel im ersten Wahlgang darum, Punkte an die einzelnen Bewerber zu verteilen. Doch noch sind lange nicht alle EU-Staaten einverstanden mit dem Auswahlprozess. So dass sich nun Merkel und Co bei dem noch in dieser Woche anstehenden Gipfel-Treffen damit befassen müssen.
"Im Großen und Ganzen stehen die Mitgliedstaaten hinter den Vorschlägen. Es ist aber nochmal deutlich gemacht worden: Es handelt sich hier nicht um ein naturwissenschaftlich-mathematisches Verfahren. Am Ende brauchen wir auch eine politische Bewertung der Vorschläge, die von der EU-Kommission gesichtet und evaluiert werden", erläutert der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, nachdem keine Einigung beim Treffen der Europa-Minister erzielt werden konnte. Roth hatte zuvor klargestellt, dass die Bundesregierung das Verfahren im Grundsatz unterstütze.
Entscheidung im Oktober
Die endgültige Entscheidung, darüber, in welche EU-Staaten und -Städte die zwei Agenturen umziehen, wird im Oktober fallen. Dies ist ausnahmsweise mal ein Brexit-Thema, bei dem nicht die Kontinental-Europäer mit den Briten ringen werden, sondern untereinander.