Brexit-Zusatz Mays Rechtsberater zweifelt
Sagt das britische Parlament heute Abend "Ja" zum Brexit-Deal? Viel hängt von der juristischen Bewertung der jüngsten Zugeständnisse der EU ab. Und die fällt so durchwachsen aus, dass die konservative nordirische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, ankündigte, trotz der just ausgehandelten Ergänzungen gegen das Brexit-Abkommen zu stimmen.
Für Theresa May geht es heute Abend - wieder einmal - ums Ganze. Reichen den Abgeordneten die jüngst der EU abgerungen Zugeständnisse und sagen sie "Ja" zum Brexit-Abkommen mit Brüssel? Oder lehnt eine Mehrheit das Abkommen noch einmal ab? Das dürfte gegenwärtige Brexit-Chaos noch einmal verschärfen.
Von besonderer Bedeutung ist dafür die juristische Bewertung der Erklärung, die May und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gestern in Straßburg abgegeben haben. Und die fällt doch eher skeptisch aus. So bezweifelt der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox in seinem Gutachten zu der Erklärung, dass London nun die rechtlichen Mittel hat, um die als "Backstop" bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu kündigen. Auch wenn der Jurist einräumt, dass das Risiko, auf Dauer in einer Zollunion mit der EU gefangen zu sein, durch die Erlärung reduziert sei.
DUP will gegen Abkommen stimmen
Ob das den Hardlinern in Mays eigener Partei reicht, ist ungewiss. Dauerhaft an die EU gebunden zu bleiben, ist für diese Abgeordneten ein rotes Tuch. Durchaus denkbar also, dass May heute Abend wieder scheitert. Die ultrakonservative nordirische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, machte bereits klar, dass sie gegen das Abkommen stimmen wird. Der notwendige Fortschritt sei auch in den Nachverhandlungen nicht erreicht worden, kritisierte ein Sprecher.
Sollte das britische Parlament heute Abend mit "Nein" stimmen, dann ist für Brüssel endgültig Schluss. EU-Kommissionschef Juncker machte noch einmal klar, dass es keine weiteren Nachverhandlungen geben wird: "Ich habe es gestern Nacht schon gesagt: Das war eine zweite Chance, aber es wird keine dritte Chance geben", sagte er im Europaparlament.
Tage der Wahrheit
Wenn das Austrittsabkommen auch mit Abweichlern aus den Oppositionsreihen heute Abend aber doch eine Mehrheit bekommen sollte, dann könnte Großbritanniens wie geplant zum 29. März aus der EU austreten. London und Brüssel würden dann in einer Übergangsperiode bis Ende 2020, in der erst einmal alles beim Alten bleibt, über ein Freihandelsabkommen verhandeln.
Fällt das Austrittsabkommen aber erneut im Unterhaus durch, dann ist alles offen - dann wird das Unterhaus in den kommenden Tagen über die anderen Brexit-Szenarien abstimmen, vom Chaos-Austritt ohne Abkommen über eine Verschiebung des Austritts bis hin zu einem erneuten EU-Referendum. All das will May unbedingt vermeiden - nicht zuletzt deshalb, weil ihr eigenes politisches Überleben auf dem Spiel steht.